Das Buch ist tot, es lebe das interaktive E-Book!

Das Papierbuch versus E-Book

Ein arabisches Sprichwort besagt: „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ Diese romantische Sicht des Buches sagt viel darüber aus, welche Eigenschaften traditionell mit Büchern verbunden werden: Bücher können ebenso für Entspannung stehen wie für Abenteuer. Sie können unterhalten und die Leserinnen und Leser in fremde Welten entführen, aber auch bilden und Wissen beinhalten. Die Veränderung des Begriffs des Buches, die das Aufkommen von interaktiven E-Books in den letzten Monaten mit sich gebracht hat, konnte noch vor wenigen Jahren niemand erahnen. Denn das obige Zitat ist heute wahrer als jemals zuvor: Dank der modernen Technik interaktiver E-Bookreader kann man nun tatsächlich einen virtuellen Garten mit sich herumtragen – und nicht nur das! Ein E-Book kann eine ganze Bibliothek beinhalten, in der sämtliche gewünschte Informationen nur einen Klick oder Fingerwisch entfernt sind, oder sogar einen Vergnügungspark voller Spiel und Spaß ohne Ende.

Der Schritt vom normalen E-Book, also schlicht und ergreifend der elektronischen Version eines Buches, zum interaktiven E-Book wurde zuerst von Apple getätigt: Die Verbindung von Text mit Bildern, Videos, Tönen, Musik und Mini-Anwendungen eröffnet völlig neue Möglichkeiten sowohl für den Unterhaltungsbereich, als auch für den Sektor der Bildung. Während so in spannende Krimis oder mitreißende Romane interaktiv eingegriffen werden kann, können Fachbücher bis zum Rand und darüber hinaus mit umfangreichem Medienmaterial angefüllt werden. Nie waren Bücher interaktiver, nie konnten die Leserinnen und Leser so sehr Anteil nehmen an dem, was im Buch geschieht. Es stellt sich aber eine Frage: Sind das überhaupt noch Bücher? Und wenn nicht: Muss der Begriff des Buches neu definiert werden oder hat das klassische Buch schlicht und einfach ausgedient? Für viele Menschen sicherlich eine ketzerische Frage – aber keine ganz unberechtigte…

Stirbt das klassische Buch aus?

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Seit jeher ist das Buch nicht nur ein wichtiges Unterhaltungsmedium: Bücher haben Staaten begründet, Nationen gespalten, Folter gerechtfertigt und Kriege angezettelt. Jahrhunderte lang stellte das Buch das wichtigste Medium dar, wenn es darum ging, Wissen festzuhalten und an nachkommende Generationen weiterzugeben. Dass Bücher von riesiger Bedeutung sind, ist also keine Frage. Dennoch gibt es keinen Grund, anzunehmen, dass das Buch vom technischen Wandel ausgenommen ist, der in fast allen Lebensbereichen beobachtet werden kann. Statt der guten alten Langspielplatte rotieren heute hauptsächlich CDs in unseren Musikanlagen, der klobige Walkman wurde schon lange gegen den mp3-Player ausgetauscht. Rund 70% aller Haushalte in Deutschland sind online, und in der Universität ist zu beobachten, dass vor allem jüngere Lehrende zunehmend papierlos arbeiten. Kommunikationsformen haben sich gewandelt, auf wichtige und unwichtige Informationen kann dank Smartphones so gut wie überall zugegriffen werden. Sogar unsere Autos wissen dank Regensensor inzwischen, wann es regnet und wann nicht! Ist es da so abwegig, dass auch das Buch bald obsolet sein könnte? Man kann dem Buch einen gewissen Charme einfach nicht ohne Weiteres absprechen. Und wer kann und will sich schon ein Leben ohne überfüllte Bücherregale, Eselsohren und den Geruch frischer Druckerschwärze vorstellen!

Interaktivität wird großgeschrieben

Interaktive E-Books bieten zahlreiche technische Raffinessen, mit denen klassische Bücher nicht mithalten können. Der „Vertrieb“ von E-Books ist sehr einfach, so dass ein Text überall auf der Welt in nur wenigen Sekunden geladen werden kann – ganz ohne Transportkosten oder Auflagebegrenzungen. Durch einfache Editierungsfunktionen können E-Books stets auf dem neusten Stand gehalten werden, und die Möglichkeit, kinderleicht selbst als Autor tätig werden zu können, führt zu einer Art Web 2.0 im Literaturbereich – Literatur 2.0, sozusagen! Weitere Vorteile gibt es nicht nur für Menschen mit verkürzter Aufmerksamkeitsspanne, die sich über Videoclips mehr freuen als über Texte, sondern dank einer denkbaren Vorlesefunktion auch beispielsweise für Menschen mit Lese- oder Sehschwäche. Im Bereich der Bildung und Berufsausbildung können Videos, Sounds und 3D-Modelle das Verständnis komplizierter Sachverhalte durch eine interaktive, bildliche Darstellung deutlich vereinfachen. Wer sich mit Computern auskennt, kann auch eigene kleine Widgets programmieren und in ein Buch einpflegen, um das Lesevergnügen noch zu steigern. Man sieht es schon vor sich, wie Schriftsteller, bildende Künstler, Musiker und Programmierer sich zusammentun und ein gemeinsames Meisterwerk in Form eines interaktiven E-Books schaffen. Diverse ehemalige Zukunftsvisionen lassen sich schon heute verwirklichen – all diese Dinge kann das klassische Buch als begrenzteres Medium nicht leisten.

Es ist nicht alles rosig in der E-Book-Welt

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Es gibt nicht nur Vorteile, die für E-Books sprechen. Egal, wie praktisch elektronische Texte sein können, vielen Menschen geht es vor allem auch einfach darum, ein echtes Buch aus Papier in der Hand zu halten. Mit einem neuen Roman oder dem abgewetzten Lieblingsbuch am Strand zu entspannen ist nicht das gleiche wie mit einem E-Bookreader – und das nicht nur, weil der Diebstahl eines Buches leichter zu verschmerzen und unwahrscheinlicher ist, wenn man sich zwischendurch im Wasser abkühlen möchte… Es könnten auch gesundheitliche Aspekte eine Rolle spielen: So gibt es bisher keine Langzeitstudien darüber, ob eine dauerhafte Nutzung von interaktiven E-Bookreadern durch die Strahlung zu einer verstärkten Belastung der Augen führt und somit schädlich ist. Dies wäre natürlich nur bei Smartphones und Tablets ein Thema, da „klassische“ E-Bookreader wie der allseits beliebte Kindle häufig die E-Paper-Technologie verwenden und die Augen nicht mehr reizen als echte Druckerschwärze auf Papier. Ebenso könnte sich die veränderte Körperhaltung beim Lesen mittels eines E-Bookreaders negativ auf Schulter und Rücken auswirken. Ein erhöhter Strom- und Akkubedarf schadet der Umwelt, das Aussterben des Handwerks der Buchdruckerei kann einen Verlust von Arbeitsstellen mit sich bringen. Es gibt also auch bei interaktiven E-Books die Kehrseite der Medaille zu beachten – eben wie überall im Leben.

Interaktive E-Books als Chance für Schreiberlinge

Für professionelle Schriftsteller und Hobbyautoren bieten sich großartige Möglichkeiten, als Texter oder Autor von interaktiven E-Books tätig zu werden. So beispielsweise mit iBooks Author, dem kostenlosen Programm von Apple zur Erstellung von E-Books – auch wenn es vor einiger Zeit wegen ungewohnt strenger Lizenzbestimmungen in der Kritik stand und für Schlagzeilen gesorgt hat. Mit dem Programm (oder einer alternativen Software) kann man nach bester WYSIWYG-Manier ein eigenes Meisterwerk zusammenstellen. Während sich dies für Romane möglicherweise nicht unbedingt aufdrängt, steht gerade Fachtexten mit vielen Abbildungen, Kochbüchern, Reiseführern und anderen Ratgebern eine rosige Zukunft im Bereich interaktiver E-Books bevor. Bei klassischen Büchern besteht eine große Hemmschwelle, bevor man sich traut, ein eigenes Buch zu verfassen, bzw. veröffentlichen. Wenn diese Hemmschwelle vermindert wird, was bedeutet dann der Einzug von Programmen wie iBook Author? Bedeutet ein großer Markt stets eine tolle Auswahl oder besteht die Gefahr, dass man von mittelmäßiger bis schlechter Literatur nur so überhäuft wird? Werden interaktive E-Books das klassische Buch mit der Zeit vom Markt verdrängen oder werden beide Medien auch auf Dauer nebeneinander bestehen können?

Gerade wenn das Texte schreiben eine große Rolle im eigenen Leben spielt, so wie beispielsweise bei euch Autorinnen und Autoren, ist man sicherlich besonders sensibel für die Qualität von Texten und die Handwerkskunst professioneller Autoren. Wenn man darüber hinaus auch noch privat gern liest, ist es doch kaum möglich, sich keine Meinung zu diesem heiklen Thema zu bilden! Oder…?

9 thoughts on “Das Buch ist tot, es lebe das interaktive E-Book!

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  • 22. Februar 2012 at 16:47
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    Passend zu diesem Thema erscheint mir folgendes Buch: “Die Rebellion der Maddie Freeman” von Katie Kacvinsky.
    Das Buch selbst habe ich nicht gelesen, aber eine Leseprobe, einen Auszug daraus stelle ich hier ein:

    Die Handlung des Romans spielt in der Zukunft, im Jahre 2060. Die 17-jährige Madeline, genannt Maddie, lebt in einer Stadt in den USA. Das Leben der jungen Menschen ist von einer digitalen Welt geprägt. Schule, Verabredungen, alles findet weitestgehend im Netz statt.
    Da die meisten Bäume auf der Welt gefällt wurden, werden keine Bücher aus Papier mehr hergestellt. An künstliche Pflanzen haben sich die Menschen längst gewöhnt. Maddie kennt noch die alten Bücher, ihre Mutter verwahrt sie sorgsam hinter Glas.

    Hauptthema des Buches sind soziale Netzwerke, ebenso aktuell und interessant.

    Ein düsteres Zukunftsszenario, das die Autorin beschreibt. Aber ist es so abwegig?
    Schon heute werden eBooks in immer größeren Mengen hergestellt. Es ist für mich eine bedrückende Vorstellung, eines Tages kein Buch aus Papier mehr in den Händen halten zu können.

    Viele Grüße
    Kerstin

  • 22. Februar 2012 at 09:40
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    Hallo Fred,

    hier ist ja Einiges los! Ich habe den Titel des Beitrages mit voller Absicht so provokativ gewählt, weil mir bewusst ist, wie kontrovers das Thema ist. Und voilà, sofort erhitzen sich die Gemüter! Meine persönliche Meinung ist auch, dass auf das klassische Buch nicht verzichtet werden kann. Den Ausruf „Lang lebe das Buch!“ würde ich blind unterschreiben. Das hält mich aber nicht davon ab, auch die Neuerungen, die interaktive E-Books mit sich bringen, positiv zu bewerten. Der Text stellt also offensichtlich kein Plädoyer für E-Books gegenüber klassischen Büchern dar, er diskutiert lediglich einige Argumente pro und contra.

    Ob meine Herangehensweise „falsch“ ist, wie du sagst, halte ich für eine Frage, die noch geklärt werden muss. Du schreibst, du wünschst dir eine objektive Berichterstattung. Gleichzeitig begründest du deine Position damit, dass du findest, dass man sich auf „gute, alte Traditionen“ besinnen sollte, und dass du nicht rund um die Uhr von digitalen Displays umgeben sein möchtest. Natürlich kann sich jeder eine subjektive Meinung bilden – wieso sollte dann der Artikel nicht auch einige recht provokative Wertungen enthalten dürfen? Irgendjemand muss ja den advocatus diaboli spielen… Dieser Blog ist eben nicht dafür gedacht, in bester tagesschau-Manier Nachrichten zu verbreiten, er soll Diskussionen anregen und euch, die Community, ansprechen.

    Da nicht alle denkbaren Argumente im Artikel enthalten sind, ist beispielsweise Michas Beitrag über die Kinderarbeit sicherlich sehr berechtigt! Dass das Thema im Text nicht angesprochen wird, heißt selbstverständlich nicht, dass ich es „als Kollateralschaden“ abtun möchte. Auch die vielen Denkanstöße von Kerstin sind sehr interessant und laden zum „Weiterdenken“ ein. Es freut uns sehr, zu sehen, dass über das Thema bisher so lebhaft diskutiert wird! Hier ist längst noch nicht alles gesagt… 😉

    Beste Grüße!

  • 20. Februar 2012 at 20:57
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    Die Überschrift, lieber Autor, ist nun aber mehr als gewagt. Das mag eine persönliche Einstellung sein, in welcher Form man sich der Literatur hingibt aber mit diesem Generalverdacht darüber, wer hier wohl was verdrängt, schafft man sich nicht überall Freunde.

    Ich will da auf pro und kontra überhaupt nicht eingehen, weil schon das Herangehen an dieses Thema völlig falsch ist. Ernst zu nehmendere Quellen recherchieren da schon sorgfältiger und vor allem objektiv. Bei aller Technikbesessenheit sollte man sich durchaus schon mal auf gute, alte Traditionen besinnen. Ich möchte nicht rund um die Uhr von irgendwelchen Displays begleitet sein, von den ökologischen Folgen der Herstellung dieser Teile mal ganz abgesehen. Den Schrott können wir dann ja wieder nach Afrika schicken, damit Kinder dort unseren Dreck recyceln, oder?

    In meinen Augen gibt es nichts Überflüssigeres als E-Book-Reeder. Die Einzigen, die das freut, sind Augenärzte und Fielmann, da nicht ein einziges der auf dem Markt befindlichen Geräte es auch nur annähernd schafft, akzeptable Grafikauflösungen abzuliefern.

  • 19. Februar 2012 at 14:50
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    Vielen Dank an Jens für seine umfassenden Ausführungen.
    Abgesehen davon, dass für mich ein gedrucktes Buch immer Favorit bleiben wird, ich muss es fühlen, Seiten umblättern, ein anderer Aspekt: was kann ein solches elektronisches Buch noch alles? Kann es unsere Gedanken lesen, weiß es, was uns wichtig ist, ob wir das Buch zu Ende gelesen haben, usw.?
    Mit dem E- Book-Reader werden doch auch persönliche Daten gespeichert.Jedenfalls mit dem Kindle von Amazon ist das durch Konvertierungen möglich. Somit geben diese elektronischen Bücher Informationen über ihre Leser weiter. Dabei kann es sich um vielfältige Bücher handeln, Unterhaltung, Krimis, Fachbücher, aber auch politische Bücher.
    Welche Daten können konkret gesammelt und ausgewertet werden? E-Books sind unter Umständen ein weiterer Schritt in Richtung durchsichtiger Mensch. Ich möchte das nicht.

    Viele Grüße Kerstin

  • 19. Februar 2012 at 11:53
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    Philosophische Betrachtung?
    Das Wort wird zuweilen etwas oberflächlich verwendet.

    Aber wenn es die Zeit erfordert werde auch ich von Wertarbeit aus regionalen Druckereien auf die aus asiatischer Kinderhand zurückgreifen.

    Kinderarbeit welche hier im Text als Kollateralschaden abgetan wird!
    “die Kehrseite der Medaille zu beachten – eben wie überall im Leben.”
    Anstatt sich ganz deutsch unter solche Fakten wegzubücken sind dies zentrale Ansatzpunkte bei denen man als Konsument Veränderungen hervorrufen kann, wie es bei einigen Marken aus der Sportbekleidungsindustrie umgesetzt wurde.

    Aber auch an den “Apfel”produkten kann Ich erkennen, dass wenn die Anzahl der unterhaltenden Applikationen stimmt schnell vergessen wird, wieviele Arbeiter im Monat an einem Strick vom Firmendach hängen.

    Druckereien waren für jeden Paradigmenwechsel in der Zeit nach dem Buchdruck verantwortlich und pressten Ideen und neue Welten auf Flugblätter.
    Wenn Bücher und Zeitungen erst einmal gestorben sind und die Internetzensur inform von ACTA und anderen über unsere elektronische Meinungsäußerung mollocht, werden ich ihnen hinterherweinen, wärend der Deutsche Michel mit Vögeln auf Schweine schießen und die verdinglichte Potenz anhand der Modellnummer elektronischer Geräte zu vergleichen das Denken gänzlich ersetzte.

    Lang lebe das Buch!

  • 16. Februar 2012 at 11:28
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    E-Books werden nie ein echtes Buch ablösen! Das Lesen in einem Buch mit realen “Seiten” ist auch angenehmer zu lesen!

  • 15. Februar 2012 at 21:55
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    Wow, von einer einfachen Fragestellung zu fast philosophischen Ausführungen – das ist eine klasse Leistung.

    Ich habe mir demletzt mein erstes E-Book gekauft, über das ich eine Rezession geschrieben habe. Beeindruckt hat es mich nicht, also nicht das Buch, sondern die Art des Lesens. Ich mag ein Buch in der Hand haben, mich mit dem zufrieden geben, was es bietet oder einfach meine Gedanken fliegen zu lassen. Es anfassen können… Vielleicht ein wenig altmodisch, aber mir ist es lieber so.

    Für Fachbücher sind E-Books vielleicht besser geeignet. Aber es zusammenstellen heißt hoffentlich das Thema zu recherchieren und eigene Texte zu schreiben und eigene Fotos zu veröffentlichen.

    Das E-Book wird an Qualität gewinnen müssen, wenn es sich durchsetzen soll. Ich finde, viele angebotene E-Books sind nicht so gut recherchiert und geschrieben, enthalten oftmals nichts neues oder sind einfach der Versuch seine eigene Geschichten zu verkaufen, weil kein Verlag sie drucken wollte.

    Naja, wir werden sehen, ob das E-Book sich auf Dauer durchsetzen kann. Denn auch die LP wird wieder gekauft…

    Liebe Grüße
    Manuela

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