Ja, durchaus. Immer wieder begegnen uns schwierige Wörter, die uns in Wort und Schrift Probleme bereiten. Ein Grund ist die Eindeutschung zahlreicher Begriffe aus anderen Sprachen. Ein anderer sind die vielen zusammengesetzten Wortverbindungen, eine Besonderheit der deutschen Sprache. Aber all das macht unser Vokabular so umfangreich und unseren Sprachschatz so reichhaltig.
In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit einigen dieser vermeintlich komplizierten Begriffe, denn wir sind der Meinung: deutsche Sprache – schöne Sprache!
Der Beitrag wird regelmäßig um weitere Begriffe ergänzt!
| “Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“
Ein Wort mit 63 Buchstaben? Und noch dazu mit ernstzunehmender Bedeutung?
Das Gesetz wurde 1999 eingeführt, als sich die Rinderseuche BSE in Europa verbreitete.
Manchmal ist ein derartig kompliziertes und ungewöhnlich langes, zusammengesetztes Wort also durchaus ernst gemeint, obwohl es bestimmt sogar der Wortschöpfer selbst kaum aussprechen kann.
| Original
/oʁiɡiˈnaːl/
Häufig ergeben sich bei Fremdwörtern deshalb Aussprachefehler, weil einige Sprecher sich detailgenau an der Schreibweise orientieren und dabei sklavisch an die deutschen Ausspracheregeln halten. Bei einigen Wörtern hat es sich aber trotz Aussprache nach den deutschen Regeln eingebürgert, Laute und damit sogar ganze Silben zu „verschlucken“. Ein Beispiel ist das aus dem Lateinischen übernommene Wort „Original“. Es leitet sich aus dem Wortorigo (Ursprung) ab und umfasst vier Silben, wird aber vielfach dreisilbig ausgesprochen: /oʁɡiˈnaːl/ oder /oɐɡiˈnaːl/ statt /oʁiɡiˈnaːl/. So, als enthielte es nur ein i statt zwei. Auch das r geht vielfach unter.
Woran dies liegt, darüber kann man nur spekulieren – dass die Silbe unbetont ist, ist sicher ein Faktor und Voraussetzung für den Fehler. Das Phänomen könnte auf die Ähnlichkeit des Anfangs mit dem von „Orgel“ (von lateinisch organum) oder „Organisation“ oder auch an der Bequemlichkeit der Sprecher zurückzuführen sein – vermutlich auf beides. Das Wort ist ohne das i kürzer und man muss die Zunge nicht so stark bewegen, denn der Artikulationsort von /ʁ/und /ɡ/ liegt viel weiter hinten im Mund als der des /i/ – allerdings werden in anderen Wörtern auch bei näheren Artikulationsorten benachbarter Laute Silben verschluckt (Beispiel: „Material“). Das regelmäßige Verschlucken von Lauten und Silben kann sich negativ auf die Rechtschreibung auswirken, daher empfiehlt es sich, beim Sprechen wie beim Schreiben an die Herkunft des Begriffes zu denken.
| Scrollen
[ˈskroːlən] [ˈskrɔʊ̯lən]Das englische Verb mit deutscher Endung, das eine Verschiebung der Inhalte einer Webseite oder Dateiseite über den Bildschirm mittels Maus-Rad oder Scrollbalken bezeichnet, wird zunehmend falsch ausgesprochen. Obwohl der Duden neben dem eng an das englische Original „to scroll“ /ˈskroʊ̯l/ angelehnten /ˈskrɔʊ̯lən/ auch noch das einfachere /ˈskroːlən/ zulässt, sagen sogar einige professionelle Sprecher stattdessen /ˈskrɔːlən/. Ganz so, als hieße das englische Verb nicht „to scroll“, sondern „to scrawl“. Es ist aber nicht nur eine Frage der persönlichen Aussprachevorliebe, denn „to scrawl“ bedeutet so viel wie „krakeln“ – ein ganz anderer Vorgang! Das Verb „to scroll“ ist hingegen aufgrund der verwandten Lesetechnik vom Nomen „scroll“ (Pergament(rolle)) abgeleitet. Zumindest die Profis sollten also vorsichtiger artikulieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
| “Worcestershiresauce”, “Worcestersauce/-soße“
[ˈvʊstɐˌzoːsə] [ˈvʊstɐʃəˌzoːsə]/ˈwʊstəʃəˌzoːsə/
Fehler entstehen beim Namen dieser im englischen Worcester entstandenen Spezialität auf verschiedenen Ebenen. Es beginnt damit, dass die Würzsauce eigentlich nicht Worcestersauce, sondern Worcestershire-Sauce heißt. Der Name ist jedoch nicht geschützt und „Worcester-Sauce“ ist auch im Gebrauch. Wie bei Leicester, Gloucester und Towcester ist auch bei der englischen Stadt Worcester und der zugehörigen Grafschaft Worcestershire der „-cester“-Teil mit dem Anfang des Namens verschmolzen. Die Aussprache aller Teile wird durch die Zusammensetzung beeinflusst: Das „or“ klingt wie in ein „oo“ (/ʊ/), bei „cester“ wird das erste e verschluckt und das unbetonte „shire“ schnurrt wie bei allen Shire-Namen zu /ʃə/ zusammen. Es wäre also verkehrt, bei „Worcestershire“ alle drei Bestandteile voll auszusprechen und beispielsweise /ˈwəːˌsəstəˌʃaiə/ oder gar so etwas wie /ˈwəːˌtʃəststəˌʃaiə/ zu sagen. Vielmehr heißt es /ˈwʊstəʃə/. Das ʊ wird immer kurz ausgesprochen. Für die deutsche Variante von „Worcester“ erlaubt der Duden einen /v/-Laut am Anfang und einen /ɐ/-Laut am Schluss (wie bei deutschen er-Endungen üblich) – vermutlich deshalb, weil das bilabiale /w/ des Englischen nicht zum Lautinventar unserer Sprache gehört und das /ə/ bei den besagten Endungen nicht zum Einsatz kommt. „Worcestershire-Sauce“ ist in diesem Wörterbuch gar nicht erst gelistet. Zur korrekten Aussprache von „Sauce“/“Soße“, die auch nicht jedem bekannt ist, wurde weiter unten bereits etwas gesagt.
| Inbusschlüssel
[ˈɪnbʊsˌʃlʏsl̩]Grundsätzlich nicht weiter problematisch ist es bei diesem Wort, wenn das n wie ein m ausgesprochen wird: /ˈɪmbʊsˌʃlʏsl̩/, obwohl die absolut richtige Aussprache /ˈɪnbʊsˌʃlʏsl̩/ ist. Schließlich ist es an vielen Stellen ganz natürlich, beim schnellen, informellen Sprechen die Position der Artikulationsorgane automatisch bereits jeweils jener für den folgenden Laut anzupassen (Assimilation). Demzufolge schließen sich die Lippen typischerweise bei der Buchstabenfolge „nb“ nicht erst beim b, sondern schon beim n, die Zungenspitze bewegt sich dabei gar nicht erst an den vorderen Gaumen, sodass wir ständig Dinge wie /ˈaɪ̯mˌbʁʊx/ (für „Einbruch“) oder /ˈʊmbəˌhaːɡn̩/ (für „Unbehagen“) – und eben auch /ˈɪmbʊsˌʃlʏsl̩/ sagen. Das spart Aufwand. Niemand empfindet das im Alltag als störend oder nachlässig, nur Profisprecher werden in der Regel bewusst Laut für Laut artikulieren. Probleme entstehen höchstens dann, wenn man schreibt und nicht genau weiß, wie das Wort geschrieben wird. Dann kann auch bei Erwachsenen bei eher speziellen und nicht so häufig gebrauchten Begriffen ein Rechtschreibfehler entstehen – aus dem Inbusschlüssel wird ein „Imbusschlüssel“.
Um Rechtschreibfehler zu verhindern oder sich als Schauspieler oder Radio- bzw. Fernsehmoderator die korrekte Aussprache zu vergegenwärtigen, hilft wie so oft die Beschäftigung mit der Herkunft des Wortes. INBUS ist eine Abkürzung aus IN wie in Innensechskantschraube und den Anfangsbuchstaben des Herstellernamens Bauer und Schaurte – BUS. Diese Firma kreierte 1935 die erste Innensechskantschraube und den ersten Innensechskantschlüssel und prägte mit der Patentierung den Namen für das Format.
| Litschi
[ˈlɪt͡ʃi]Der Fehler, der beim Aussprechen dieses chinesischen Pflanzennamens immer wieder vorkommt, ist ein langes i in der ersten Silbe: /liːt͡ʃi/. Im Chinesischen ist die Vokallänge allerdings nicht bedeutungsunterscheidend und die Vokalqualität ist beim i-Laut immer gleich, nämlich so wie bei unserem langen i-Laut geschlossen, unabhängig davon, wie lang man ihn ausspricht. Daher könnte die Neigung vieler Deutscher stammen, das i lang auszusprechen. Unsere Sprache hat jedoch feste Regeln für die Verwendung langer und kurzer Vokale – auch bei Fremdwörtern. Deshalb lautet die korrekte Aussprache [ˈlɪt͡ʃi] mit kurzem, offenem Vokal in der ersten Silbe: vielleicht angelehnt an die ebenfalls zulässige englische Schreibweise „Lychee“, die nicht zu einem langen i-Laut passt.
| Bruschetta
[brʊsˈkɛta] [bʁuˈskɛta]Den Namen dieser schlichten Röstbrot-Speise heil über die Lippen zu bringen, ist für einige noch immer eine Herausforderung. Sogar solche, die wissen, dass ein „ch“ im Italienischen immer /k/ ausgesprochen wird, wie in „Chianti“. Ein „sch“ aktiviert offenbar automatisch die Übersetzung in ein /ʃ/ auf Lautebene – gemäß den deutschen Ausspracheregeln. Diese haben jedoch im Italienischen nur begrenzt Gültigkeit. Das „ch“ wird auch dann ein /k/, wenn vorher ein s steht. (Hinsichtlich des in unserer Sprache ganz unitalienisch kurzen /t/-Lautes und des /ʁ/ ist der Duden recht liberal. 1:1 übereinstimmen muss die Lautgestalt nicht.)Zur Herkunft werden als Ursprungswörter: „brusca“ („Scheuerbürste“, „Kardätsche“) und das Verb „bruscare“ („rösten“) und „brusiare“ bzw. lateinisch „brusicare“ („brennen“) angegeben. Wem diese Entstehungsgeschichte bekannt ist, der wird vermutlich nicht so leicht in die Falle tappen. Liebhaber klassischer Musik sind wie so häufig im Vorteil, denn ein Scherzo kennen sie alle und haben das Wort mindestens im Radio auch korrekt mit /sk/ artikuliert gehört.
| Tschüs(s)
[t͡ʃyːs] [t͡ʃys] [t͡ʃʏs]Gemäß den Angaben der Duden-Redaktion gibt es zwei zulässige Schreibweisen dieses informellen Abschiedsgrußes: „tschüs“ und „tschüss“. Diese sind mit verschiedener Aussprache gekoppelt: bei „tschüs“ soll das ü lang gesprochen werden und bei „tschüss“ kurz. Man kann das Wort also prinzipiell hinsichtlich der Vokallänge nicht falsch aussprechen, muss aber beim lauten Lesen die Schreibweise beachten und entsprechend länger oder kürzer artikulieren. Falsch ist vor dem Hintergrund des Duden-Eintrags hingegen die häufig gehörte Variante /ʃys/ mit einfachem Reibelaut. Es wird angenommen, dass das Wort ursprünglich vom spanischen „adiós“ kommt, in dem ebenfalls ein Verschlusslaut am Beginn der entsprechenden Silbe steht. Ältere niederdeutsche Varianten enthalten ebenfalls ein d oder t (adjüs, tjüs), wie auch die neuere Form „atschüs“.
| Ingenieur
[ɪnʒeˈni̯øːɐ̯]Im Deutschen kommt die Lautfolge /ni̯ø/ selten vor. Dies mag der Grund dafür sein, dass das schon durch seinen /ʒ/-Laut etwas ungewöhnliche Wort „Ingenieur“ vielfach mit einfachem /n/ ausgesprochen wird, als hieße es „Ingeneur“. Vielleicht ist es aber auch reine Bequemlichkeit – das Wort ist ja auch mit einem Laut weniger verständlich. Dabei wissen wir alle: Dem Ingenieur ist nichts zu schwör! Deshalb steckt in dieser französischen Berufsgruppenbezeichnung letztlich das Wort „Genie“, denn es stammt vom lateinischen „ingenium“ – Begabung, geistig besonders begabter, schöpferischer Mensch. Ein guter Grund vor allem für Ingenieure, das i nicht ganz unter den Tisch fallen zu lassen.
| Gelatine
[ʒelaˈtiːnə]Sowohl schriftlich als auch mündlich schleicht sich in dieses Wort für die bekannte glibberige Substanz aus tierischem Eiweiß immer wieder mal ein zweites n ein – nach dem a. Sprich: Viele sagen /ʒelanˈtiːnə/ und schreiben „Gelantine“. Wie es dazu ursprünglich kam, lässt sich nicht eindeutig ermitteln – allerdings gibt es im Küchenvokabular auch den Begriff Galantine. Dieser bezeichnet ein entbeintes, gefülltes und anschließend pochiertes Tier, das häufig mit einer Geleeschicht (Aspik, mit Gelatine) überzogen wird. Beide sind also nicht nur grafisch und lautlich, sondern auch noch inhaltlich eng verwandt. Der Begriff Galantine ist zwar nicht jedem bekannt, könnte aber ursprünglich beim Küchenpersonal und bei Hausfrauen zu ersten Verwechslungen und letztlich zur Verbreitung des falschen „Gelantine“ /ʒelanˈtiːnə/ geführt haben.
Mittlerweile gut bekannt ist in Deutschland jedoch mittlerweile auch das italienische „gelato“ („Gefrorenes“) für Eis, das ebenfalls vom neulateinschen Verb „gelare“ stammt. Da es sich bei Gelatine ebenfalls um eine zumindest weitgehend erstarrte Flüssigkeit handelt, bietet es sich an, beim Schreiben und beim Aussprechen des Wortes daran zu denken und so ein womöglich schon auf der Lauer liegendes zweites n am Eindringen zu hindern.
| China
[ˈçiːna]Die bestehenden Ausspracheunterschiede teilt sich dieser Landesname mit allen nicht zusammengesetzten Wörtern, die ein ch in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem i- oder e-Laut enthalten – etwa „Chemie“, „nicht“ oder „Echo“. Bei ihnen allen wird ein solches ch in bestimmten Gegenden akzentbedingt nicht als Gaumen-Reibelaut /ç/, der berühmte „Ich-Laut“, realisiert, sondern als Gaumensegel-Verschlusslaut /k/ (in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz), vor a, o, u oder Konsonanten auch als Zäpfchen-Reibelaut (Schweiz) oder als hinter den oberen Schneidezähnen gebildeter Reibelaut /ʃ/ (z. B. am Niederrhein). Das ist zwar alles nicht falsch, aber als wirklich korrekt gilt nur die Standardvariante /ç/ und damit /ˈçiːna/ für „China“.
| Bredouille
[breˈdʊljə]Diese Bezeichnung für eine Zwangslage wird im Deutschen zwar standardmäßig nicht ganz genauso wie im Französischen ausgesprochen, birgt aber trotzdem für manche eine Stolperfalle. Einige verschieben das r nach hinten, so, als würde das Wort „Bedrouille“ geschrieben. Eine Steigerung des Ganzen manifestiert sich in der Variante „Petrouille“, vielleicht eine Hyperkorrektur in Gegenden, wo stimmlose Vokale häufig eher stimmhaft ausgesprochen werden und manche es besonders gut machen wollen. Es liegt in jedem Fall nahe, dass beides dem noch besser vertrauten Wort „Patrouille“ und eventuell auch „Petroleum“ geschuldet ist. Beide können einen zumindest auch manchmal ganz schön in die Bredouille bringen, wenn man nicht vorsichtig ist.
| “Libyen“
[ˈliːby̆ən] [ˈliːbi̯ən]Geradezu paradox ist der weitverbreitete Fehler bei der Aussprache des Wortes „Libyen“. Ob im privaten Bereich oder in den Medien – überall begegnet einem /ˈlyːbiən/. Dies widerspricht den deutschen Ausspracheregeln, denn ein i wird standardmäßig nicht /y/ ausgesprochen (auch wenn das in unbetonten kurzen Silben – vor allem unmittelbar vor Lippenlauten – durchaus vorkommen kann. Bei „Libyen“ liegt die Betonung aber auf der ersten Silbe und das korrekte Lautbild ist /ˈliːby̆ən/ oder /ˈliːbi̯ən/.)
Wer immer den besagten Fehler als erster gemacht hat, wollte wahrscheinlich der Tatsache Rechnung tragen, dass alle anderen Ländernamen mit vergleichbarem Suffix auf -ien enden. Dies mag die betreffende Person dazu inspiriert haben, im geschriebenen Wort das i und das y auszutauschen und aus diesem Schriftbild wiederum eine falsche Aussprache abzuleiten. Der Duden formuliert die Hypothese, dass diese sich als Parallele zu „Syrien“ entwickelt haben könnte. Das Adjektiv „libysch“ wird passend zu dem Fehler beim Nomen / ˈlyːbi ʃ/ ausgesprochen.
Wenn man bedenkt, dass das genauso lautende Adjektiv „lübisch“ sich de facto auf sehr viel weiter nördliche Gefilde bezieht, nämlich auf die Hansestadt Lübeck, so kann dies eine Motivation zum Umdenken und genaueren Artikulieren mit sich bringen. Anderenfalls verfehlt womöglich jemand auf Reisen sein Ziel um rund 3.000 Kilometer.
| “Ukraine”
[ukraˈiːnə] oder [uˈkraɪ̯nə]Aus derzeit vielfach gegebenem Anlass greifen wir nun das Wort „Ukraine“ auf, das im deutschen Rundfunk und als Folge weit darüber hinaus falsch ausgesprochen wird. Auch die vor den aktuellen geopolitischen Entwicklungen übliche Aussprache mit der Betonung auf einem „ei“-Doppellaut war nicht ganz korrekt, was bei den Medien zu einer neuen Norm führte. Diese wird jedoch offenbar fast flächendeckend falsch interpretiert.
Ursprung des Namens ist das slawische Wort „kraj“ bzw. „krajina“ („Land“ oder „Grenze“), das in vielen slawischen Sprachen vorkommt: „Ukraina“ kann als „Grenzland“ übersetzt werden. Die Laute /a/ und /i/ sind hier deutlicher voneinander abzuheben als beim Deutschen „ei“-Laut – der a-Laut ist weit offen und der i-Laut geschlossen. Im Ukrainischen, Russischen und Polnischen ist das Wort „Ukra(j)ina“ entsprechend viersilbig mit Betonung auf der i-Silbe und nicht wie die alte deutsche Version /uˈkraɪ̯nə/ dreisilbig mit Hauptakzent auf der mittleren Silbe „krai“. Diese Einteilung in vier Silben veranlasste wohl die Autoren der ARD-Aussprachedatenbank verschiedenen Berichten zufolge zu der etwas vagen und irreführenden Vorgabe, das Wort mit einer Pause zwischen a und i auszusprechen. Leider fügen nun die Nachrichtensprecher und Moderatoren für eine besonders gründliche Trennung noch einen Verschlusslaut – einen Kehlkopfknacklaut – ein, wie er im Deutschen zum Einsatz kommt, wenn ein Vokal auf eine Pause folgt: /ukraˈʔiːnə/. Aber diese Regel gilt eben für deutsche Wörter – nicht aber für slawische und speziell für „Ukraine“ erst recht nicht, wie aus den Wörtern „kraj“ und „krajina“ deutlich wird. Und die neue im Duden vermerkte deutsche Aussprache von „Ukraine“ enthält diesen Verschlusslaut bezeichnenderweise nicht. Auch in einer „eingedeutschten“ Version wäre /ukraˈʔiːnə/ der eigentlichen Struktur des Wortes nicht angemessen. In slawischen Ländern arbeitende Auslandsreporter sprechen es natürlich auch korrekt aus.
Viel sinnvoller und dem Original ähnlicher wäre es gewesen, statt einer Pause den Einsatz eines j-Lautes vorzugeben. (In manchen slawischen Sprachen, wie im Russischen, wird das i in der Regel ohnehin besonders weich in Verschmelzung mit einem vorangehenden angedeuteten /j/ ausgesprochen, was automatisch eine maximal geschlossene und „helle“ Artikulation mit sich bringt.) Selbst wenn das j, wie im Deutschen nicht ungewöhnlich, als deutlicher Reibelaut ausgesprochen wird, kommt dies der ukrainischen und allgemein slawischen Aussprache weitaus näher als der leider momentan allgegenwärtige harte Verschlusslaut.
| Journalist
[ʒʊʁnaˈlɪst]Sobald man sich vor Augen hält, dass ein Journalist typischerweise für ein Journal (oder mehrere) tätig ist und deshalb so heißt, dürfte die Aussprache dieser Berufsbezeichnung leichter fallen. Denn „Journal“ wird seltener falsch ausgesprochen als „Journalist“. Man braucht nur die Endsilbe „-ist“ anzuhängen und die Betonung darauf zu verlagern. Geschieht dies nicht bewusst, kann es manchmal zu den typischen Fehlern kommen, zum Beispiel /dʒʊʁnaˈlɪst/ (vom Wiktionary als regionale Variante bezeichnet) oder [dʒɔʁnaˈlɪst] – vielleicht teilweise den englischen Ausspracheregeln geschuldet.
| “Zucchini”
[t͡sukˈkiːni], [d͡zukˈkiːni]Man weiß kaum, wo man anfangen soll. Dieses Wort ist eine einzige Sprachfalle, sowohl phonetisch als auch grammatikalisch. Es geht schon mit dem Numerus los: Zucchini ist Plural wie fast alle auf „-i“ endenden Nomina im Italienischen, wird aber im Deutschen wie ein Singular gebraucht. Der korrekte italienische Singular dieses Diminutivs von „zucca“ („Kürbis“) heißt „zucchino“, auch ein weibliches Pendant („zucchina“) ist bekannt – Plural dazu: „zucchine“ („zucca“ ist ja ebenfalls Femininum, daher ist schon im Italienischen der maskuline Diminutiv erstaunlich). Der Duden lässt „Zucchini“ dem deutschen Gebrauch entsprechend als Singular und als Plural zu.
Das Ausspracheproblem konzentriert sich auf die Mitte des Wortes. Häufig anzutreffen ist /t͡suˈt͡ʃiːni/ (man weiß ja, dass der /t͡ʃ/-Laut im Italienischen häufig ist und zudem annähernd der spanischen Aussprache von „ch“ entspricht, also zimmert man sich da im Schnellverfahren etwas zurecht). Aber auch /t͡suˈχiːni/, mit der deutschen Aussprache von „ch“, ist öfter im Gebrauch, obwohl dieser Reibelaut für die meisten Italiener nicht einmal aussprechbar ist. Sobald man sich klarmacht, dass das Wort von „zucca“ abgeleitet ist, dürfte allerdings einleuchten, dass der mittlere Konsonant ein /k/-Laut sein muss; aufgrund des doppelten „c“ sogar ein zweifacher.
| “Diözese”
[diøˈtseːzə]Nachrichtensprechern und selbst Kirchenleuten geht das Wort selten korrekt über die Lippen, dabei spricht man es exakt so aus, wie man es schreibt. Der Fachbegriff für ein Bistum stammt aus dem Altgriechischen, wo er διοίκησις(dioikesis) hieß und nichts anderes als Verwaltung bedeutete. Das griechische „oi“ wird im Deutschen häufig in ein „ö“ umgewandelt. In „Diözese“ führt das vermutlich deshalb zu Problemen, weil die Buchstabenkombination „iö“ in unserer Sprache nicht vorkommt. Dementsprechend ist die Lautfolge /iø/ selten und nur in Dialekten anzutreffen, die ein mit einem Vokal beginnendes Wort mitten im Satz nicht mit einem Kehlkopfknacklaut (/ʔ/) abgrenzen (während man im Norden „die Österreicher“ als /diˈʔøːstəʁaɪ̯çɐ/ artikuliert, kann man etwa in Österreich auch /diˈøːstəʁaɪ̯çɐ/ sagen).
Die mangelnde Übung in der Artikulation dieser Lautfolge in weiter nördlich gelegenen Gefilden mag der Grund dafür sein, dass das Wort „Diözese“ meist so ausgesprochen wird, als hieße es „Diozöse“. Die Buchstabenfolge „io“ ist nicht ungewöhnlich und auch die Endung „-öse“ ist uns geläufig. Dass auch Theologen dieses zu ihrem Fachjargon gehörige Wort kaum unfallfrei artikulieren, erstaunt auch angesichts der Tatsache, dass sie in der Regel Altgriechisch gelernt haben. Selbst wenn ihnen die ursprüngliche Bedeutung des Wortes nicht bekannt ist, sollte die Endung „-ese“ ihnen vertraut sein (mindestens aus dem Wort „Exegese“, das im Sprachgebrauch eines Theologen nahezu allgegenwärtig ist). Dass sie trotzdem in der Regel „Diozöse“ sagen, spricht für die These (!), dass die Artikulationsbasis der Muttersprache tendenziell einen größeren Einfluss auf die Aussprache von Fremdwörtern hat als entsprechende Fremdsprachenkenntnisse, deren Erwerb bereits davon beeinträchtigt werden kann. Es wäre interessant, zu untersuchen, ob der Fehler beispielweise in Österreich seltener auftritt, weil dort der Kehlkopfknacklaut seltener zum Einsatz kommt und die Wortkombination „die Österreicher“ /die österreichische/n“ und damit die Lautfolge /iø/ besonders häufig sein dürfte.
| “Smoothie”
[ˈsmuːði]Mit diesem Ausdruck wurde die deutsche Sprache vor nicht allzu langer Zeit um ein englisches Wort erweitert, das häufig selbst Menschen mit relativ guten Englischkenntnissen Probleme bereitet.
Allgemein machen natürlich tendenziell alle englischen Wörter mit „th“ Schwierigkeiten, sodass einer der gängigsten Fehler darin besteht, den /ð/-Laut durch ein /z/ zu ersetzen. Besonders wenn ein Wort einen s-Laut enthält, passieren leicht Interferenzen. Das ist nichts Ungewöhnliches und inspirierte im Falle von „Smoothie“ offenbar einen Nahrungsmittelhersteller dazu, einem Fruchtpüree für Kinder den Namen „Smusi“ zu geben. (Interessant wäre es, einmal zu testen, ob kleine Nutzer dieses Pürees das „th“ und speziell das Wort „Smoothie“ später genauso schnell und leicht korrekt auszusprechen lernen wie andere.)
Wer jedoch einiges Englisch beherrscht, erliegt zuweilen dem Irrtum, dass das „th“ stimmlos ausgesprochen werden müsste. Das kann insbesondere auch deshalb passieren, weil „Smoothie“ von dem Adjektiv „smooth“ („glatt“) abgleitet ist. Hier steht das „th“ am Ende des Wortes. Ein th wird den Ausspracheregeln zufolge in Endposition immer stimmlos ausgesprochen (vgl. z. B. „tooth“, „oath“, „moth“, „Smith“). Das ist uns Deutschen mit unserer Auslautverhärtung vertraut. Von dieser Regel bildet „smooth“ mit seinem stimmlosen Auslaut aber eine Ausnahme. Im Gegensatz zu „truth“, „booth“ und „tooth“ hat „smooth“ einen stimmhaften Auslaut. Die korrekte Aussprache lautet also nicht /smuːθ/, sondern /smuːð/. Demzufolge lautet die davon abgeleitete Fruchtpüreebezeichnung nicht nur wegen des nachfolgenden Vokals /ˈsmuːði/.
| “Material“
/mateʁiˈaːl/
Ähnlich wie das Wort „Original“ wird auch „Material“ oft durch Nachlässigkeit in der Aussprache auf drei Silben reduziert. Aus /mateʁiˈaːl/ wird immer wieder /matʁiˈaːl/ oder /matɛɐˈjaːl/. So spart man eine Silbe (somit auch Zeit) und muss bei der ersten Variante den Mund erst am Wortende etwas weiter öffnen. Bei der zweiten braucht kein richtiges /ʁ/ artikuliert zu werden.
An sich für die Kommunikation nicht sonderlich problematisch, da die Verständlichkeit nicht darunter leidet und in vielen Fällen der Sprecher nicht einmal einen schlechten Eindruck hinterlässt, da diese Fehler so weit verbreitet sind. Allerdings kann sich insbesondere die erste der beiden schlechten Angewohnheiten auch in Form von Rechtschreibfehlern bemerkbar machen. Daher ist es hilfreich, sich bei Fallen dieser Art die strukturelle Nähe zu solchen verwandten Wörtern bewusst zu machen, bei denen – wie bei „Materie“ – die zweite Silbe betont und daher nicht entbehrlich ist.
| “Original”
/oʁiɡiˈnaːl/
Häufig ergeben sich bei Fremdwörtern deshalb Aussprachefehler, weil einige Sprecher sich detailgenau an der Schreibweise orientieren und dabei sklavisch an die deutschen Ausspracheregeln halten. Bei einigen Wörtern hat es sich aber trotz Aussprache nach den deutschen Regeln eingebürgert, Laute und damit sogar ganze Silben zu „verschlucken“. Ein Beispiel ist das aus dem Lateinischen übernommene Wort „Original“. Es leitet sich aus dem Wortorigo (Ursprung) ab und umfasst vier Silben, wird aber vielfach dreisilbig ausgesprochen: /oʁɡiˈnaːl/ oder /oɐɡiˈnaːl/ statt /oʁiɡiˈnaːl/. So, als enthielte es nur ein i statt zwei. Auch das r geht vielfach unter.
Woran dies liegt, darüber kann man nur spekulieren – dass die Silbe unbetont ist, ist sicher ein Faktor und Voraussetzung für den Fehler. Das Phänomen könnte auf die Ähnlichkeit des Anfangs mit dem von „Orgel“ (von lateinisch organum) oder „Organisation“ oder auch an der Bequemlichkeit der Sprecher zurückzuführen sein – vermutlich auf beides. Das Wort ist ohne das i kürzer und man muss die Zunge nicht so stark bewegen, denn der Artikulationsort von /ʁ/und /ɡ/ liegt viel weiter hinten im Mund als der des /i/ – allerdings werden in anderen Wörtern auch bei näheren Artikulationsorten benachbarter Laute Silben verschluckt (Beispiel: „Material“). Das regelmäßige Verschlucken von Lauten und Silben kann sich negativ auf die Rechtschreibung auswirken, daher empfiehlt es sich, beim Sprechen wie beim Schreiben an die Herkunft des Begriffes zu denken.
| “Stracciatella”
Die Eissaison geht allmählich zu Ende und eines der nicht nur in Sachen Aussprache schwierigsten und am meisten verunstalteten Wörter dürfte hierzulande jetzt weniger verwendet werden.
Zunächst: Stracciatella (von stracciare, zerreißen) ist eigentlich kein Eis, sondern eine Suppe, in die man ein Ei einlaufen lässt. Das überaus beliebte Eis, durch das das Wort bei uns Einzug hielt, ist also ähnlich dem Spaghettieis eine süße Anlehnung an ein herzhaftes Gericht, in der aber keine Eierfetzen, sondern Schokoladenstückchen verteilt sind.
Nur selten hört man in oder vor unseren Eiscafés die im Deutschen korrekte Aussprache /stʁatʃaˈtɛla/ oder gar richtig italiensch /stratʃaˈtɛlːa/ mit Zungen-r und langem l, wie es zur Aussprache eines „ll“ vorgeschrieben ist. Vielmehr wenden – auch in den Massenmedien – die meisten Liebhaber dieser Eissorte stumpf die deutschen Ausspracheregeln auf das Lehnwort an. Dabei kommt dann /ʃtratsjaˈtɛla/ heraus, vermutlich sehr zum Leidwesen der ohnehin leidgeprüften noch verbliebenen italienischen Eisdielenbetreiber. Es würde schon helfen, sich einmal klarzumachen, dass das Neuhochdeutsche die einzige Sprache weit und breit ist, in der ein s vor einem t oder p nicht als /s/, sondern als /ʃ/ ausgesprochen wird – so, als stünde da ein sch (in regionalen Akzenten hat sich vielfach das /s/ erhalten). Und jedermann sagt bei „ciao“ selbstverständlich /ˈtʃao/ statt /ˈtsjao/ – also könnte man die entsprechende Ausspracheregel ja leicht auch bei Stracciatella anwenden.
| “Zaziki, Tsatsiki”
Die normale Aussprache wird vom Duden, Wikipedia und Wiktionary in diesen Versionen angegeben:
[t͡saˈt͡siːki]
Das Griechische kennt zwei Varianten für die Aussprache der ts-Kombination – stimmlos und stimmhaft. Im Deutschen ist das zweite i des Lehnwortes länger. Falsch ist es in jedem Fall, dieses zweite i nicht nur kurz, sondern auch offen auszusprechen – so, als ob ihm ein ck folgte. Mit Zicklein hat die klassische Vorspeise nichts zu tun, denn der Joghurt ist üblicherweise aus Kuhmilch. Das griechische Wort hat zwar an derselben Stelle durchaus auch ein kurzes i, aber ein geschlossenes – im Deutschen ist diese Lautqualität nur bei langen Vokalen möglich. Daher mag das lange i im deutschen [t͡saˈt͡siːki] rühren.
| “Biskuit“
Ob man nun einen besonderen Kuchenteig oder eine Porzellansorte damit meint: Das Wort falsch auszusprechen ist kaum möglich. Ein Irrtum hinsichtlich des richtigen „Sounds“ könnte lediglich darin liegen, zu behaupten, es gäbe im Deutschen nur eine richtige Aussprache. Im Angebot sind:
[ˈbɪskvɪt] (erste Variante im Duden) [bɪsˈkviːt] (erste oder einzige Variante verschiedener Quellen, u. a. Duden) [bɪsˈkvɪt] (Duden) [bisˈkvit] (Österreich) [bisˈkʊiː] (Österreich) [ˈbiskviː] (Österreich)Keine dieser Aussprachevarianten entspricht der französischen für das Originalwort „biscuit“ („zweimal gebacken“): \bis.kɥi\ (Lautschrift gemäß Wiktionnaire).
Der Wortakzent darf also im Deutschen auf der ersten, aber auch wie im Französischen auf der zweiten Silbe liegen. Weitere Unterschiede bestehen in der Lautqualität (offenes oder geschlossenes, „helleres“ i) und der Länge der Vokale. Mal wird das t am Ende mit ausgesprochen, mal (im Österreichischen) nicht. Außerdem wird das Wort nicht immer – offenbar den deutschen Ausspracheregeln für „qu“ folgend – mit einem v-Laut gesprochen. Eine der österreichischen Varianten hat statt /v/ ein /ʊ/ und kommt insgesamt dem französischen Original am nächsten. Die im Duden als erste, also wohl als gängigste Variante angeführte Version ähnelt ihr am wenigsten – weder die Betonung noch die Vokalqualitäten noch die Konsonanten t und v stimmen damit überein.
| “Champignon“
„We are the champions“ – dem Ohrwurm fällt man leicht anheim, wenn man hört, was gefühlt die meisten Sprecher aus diesem französischen Wort für einen schmackhaften Pilz machen. Mit dem „gn“ halten sie sich gar nicht erst auf, obwohl diese Buchstabenkombination in vielen französischen und italienischen Lehnwörtern vorkommt und meist auch hierzulande richtig ausgesprochen wird (etwa in „Champagner“, „Bretagne“ oder „Lasagne“). Sollte am Ende wirklich Queen schuld daran sein, dass die Bezeichnung für besagten Pilz so vielen Deutschsprachigen nur unvollständig über die Lippen kommt? Jedenfalls ist das, was man am einschlägigen Stand auf dem Weihnachtsmarkt oder in der Pizzeria hört, fast immer so etwas wie /ˈʃampiɔŋ/ oder /ˈʃampiɔn/ statt des vom Duden vorgegebenen /ˈʃampɪnjɔŋ/ bzw. /ˈʃampɪnjɔ̃ː/, geschweige denn des französischen /ˈʃɑ̃piˈɲɔ̃/. Nun, Freddie Mercury hätte es vielleicht gefreut.
| “Kurkuma“
Das berühmte leuchtend gelbe Gewürz, dem allerlei wohltuende Wirkungen nachgesagt werden, ist in aller Munde – nur: Stimmt beim Namen auch die Betonung? Und wie sieht es mit der Länge der Vokale aus? Über die korrekte Aussprache dieses aus dem Arabischen stammenden Begriffes gibt es unterschiedliche Angaben. Die Sprachinstanz Nr. 1 zum Nachschlagen, der Duden, schreibt die Betonung aus der ersten Silbe vor, während das eher deskriptiv als normativ orientierte Wiktionary zusätzlich eine Betonung auf der zweiten Silbe zulässt und dementsprechend diese Varianten aufführt: [ˈkʊʁkuma], [kʊʁˈkuːma].
Das Schema der Betonung auf der vorletzten Silbe ist auch das generell vorherrschende im Deutsche und uns daher gut vertraut, auch von zweisilbigen griechischen Lehnwörtern, die auf -ma enden. Viele deutsche Muttersprachler weiten dieses Betonungsmuster auch auf dreisilbige Wörter aus, obwohl das bei den griechischen meist nicht funktioniert – und bei „Kurkuma“ auch nicht unbedingt, siehe Duden. Mit dem ungewohnten /ˈkʊʁkuma/ mit kurzen u-Lauten ist man jedenfalls insofern auf der sicheren Seite, als es der Vorschrift eines der renommiertesten Nachschlagewerke entspricht.
| “Espresso“
Zwar entspricht die Schreibweise dieses Wortes in etwa seiner Aussprache, aber trotzdem sagen viele Deutsche „Expresso“. Das berühmte pechschwarze Getränk, der caffè espresso, ist jedoch italienisch und die italienische Sprache hat das x, das das Lateinische noch kannte, aufgegeben (bis auf wenige Ausnahmen bei Lehnwörtern aus Fremdsprachen kommt es dort nicht mehr vor). Wörter wie „Express“, „Expressionismus“ oder „expressiv“, die dem Deutschen schon etwas länger angehören, haben auf ihrem Weg aus dem Lateinischen ins Deutsche nicht den Weg über das Italienische genommen (allenfalls über das Französische, aber das ist ein Thema für sich). Wie man auch an der Endung „-o“ erkennt, ist „espresso“ (wörtlich: „ausgepresst“) allerdings ein echtes italienisches Wort und darf somit auch als Lehnwort im Deutschen kein x mehr enthalten. Die korrekte Aussprache lautet also /esˈprɛsso/ (den Regeln des Italienischen nach also auch mit einem doppelten s-Laut, der doppelt so lang ist wie ein deutscher s-Laut).
| “Accessoire”
Das Wort Accessoire ist der französischen Sprache entnommen und wird häufig als Synonym für Zubehör verwendet. Die korrekte Aussprache stellt für den einen oder anderen eine echte Herausforderung dar.
| “Gnocchi”
Gnocchi – kleine Kartoffelklöße – sind mittlerweile auch hierzulande überall bekannt und beliebt, sodass der Begriff in die deutsche Sprache übernommen wurde. Doch ob sie in der Trattoria wirklich immer bestellt werden, wenn man zwar Lust darauf hat, aber sich hinsichtlich der Aussprache unsicher ist? Der Umsatz könnte vermutlich steigen, wenn der richtige „Sound“ bekannter wäre. Die Tapferen versuchen sich mit Improvisationen, die sich überwiegend in etwa wie /ˈgnɔt͡ʃi/ („Gnotschi“) anhören – mit einer Mischung aus deutschen und spanischen Regeln. Richtig ist jedoch /ˈɲɔkːi/ (in etwa wie „Njokki“). Die Laute sind für uns in dieser Form ungewohnt – ein nj am Wortanfang und ein langes k (das noch dazu „cch“ geschrieben wird) gibt es bei uns nicht. Doch im Prinzip gehören die Laute /ɲ/ und /k/ zu unserer Artikulationsbasis und nach wenigen Versuchen dürfte jeder das Wort korrekt aussprechen können.
| “Christopher Street Day“
Ein eher neuer Begriff ist im Deutschen auch „Christopher Street Day“ (im Englischen als „Gay Pride“ bezeichnet). Er wird von den meisten Leuten auf „Street“ betont, sei es, weil der Tag meist auf der Straße (street) mit Paraden gewürdigt wird, sei es, weil sie glauben, „Street“ sei der Nachname eines Menschen mit Vornamen Christopher und dieser habe etwas mit dem Hintergrund des Ganzen zu tun. Die korrekte Betonung liegt jedoch auf der Silbe „Chris“, denn die Bewegung hatte ihren Ursprung in einer Bar in der New Yorker Christopher Street. (Diese ist nach Charles Christopher Amos benannt, der das Gelände 1799 kaufte.) Aus den Unruhen von 1969 entstand das Christopher Street Liberation Day Committee, das die Demonstrationen ins Leben rief. Daher heißt unser Christopher Street Day (mit amerikanischer Aussprache) richtig: /ˈkrɪstəfər striːt dei/.
| “Oregano“
Das aromatische Gewürzkraut, das in vielen südeuropäischen Gerichten nicht fehlen darf, hat einen Namen mit vordergründig einfacher Aussprache. Die Laute werden so gesprochen, wie man sie schreibt, es gibt nur eine Hürde. Die häufig konstruierte Analogie zu manchen anderen Wörtern, die auf -ano enden (wie „italiano“, „Murano“, „lontano“), funktioniert im Deutschen nicht. Bei „Oregano“ liegt der Wortakzent laut Duden nicht ‒ wie meist vermutet ‒ auf der vorletzten Silbe, dem „ga“, sondern auf der drittletzten („re“), ähnlich wie bei „Zampano“. Man spricht also: /oˈʁeːgano/. Die romanische Sprache, in der „orégano“ auf „re“ betont wird, ist aber das Spanische – vielleicht wurde es von dort zu uns gebracht. Das italienische „origano“ wird normalerweise nicht auf dem „ri“ betont, die Norm ist vielmehr nach den Angaben in den renommierten Wörterbüchern der Hauptton auf dem „ga“ ‒/oriˈgaːno/.
Da im Deutschen die Standardbetonung auf der vorletzten Silbe liegt, geht uns das betonte „re“ erst einmal nicht so leicht über die Lippen. Diese Betonung mag damit zusammenhängen, dass das Wort aus dem Griechischen (wo es als Fremdwort galt) über das Lateinische ins Italienische und Spanische gelangte. Im Griechischen ist der Wortakzent für uns sowieso vielfach gewöhnungsbedürftig, zumal er auch noch je nach Wortart die Silbe wechseln kann (erkennbar z. b. in unseren Lehnwörtern „paradox“ /paʁaˈdɔks/ und „Paradoxon“ /paˈʁaːdɔksɔn/).
| “Soße”
Ein bisschen rätselhaft ist es schon, dass so viele Menschen das Wort „Soße“ mit zwei stimmhaften S-Lauten aussprechen – also /ˈzoːzə/. Sowohl die Schreibweise „Soße“ mit ihrem „scharfen s“ als auch die französische Originalschreibweise „Sauce“ legen die korrekte stimmlose Aussprache des zweiten S-Lautes nahe: / ˈzoːsə/. Im französischen „sauce“ werden beide S-Laute stimmlos ausgesprochen – /ˈsos/ oder auch /ˈsosə/. Da im Hochdeutschen am Wortanfang kein stimmloses s vorkommt, war es nur logisch, das französische Anfangs-s in dieser Hinsicht „einzudeutschen“, das vor i und e immer stimmlose c hingegen durch ein ß zu ersetzen, um bei diesem Laut die französische Aussprache zu erhalten. Der Erfolg war allerdings – wie eingangs angemerkt – begrenzt.
| “Excel“
Zu den englischsprachigen Begriffen, die in das Deutsche übernommen wurden, jedoch noch Ausspracheprobleme bereiten, gehört auch der Name des Microsoft-Programms Excel. Deutsche Sprecher verallgemeinern vermutlich die Regel, nach der „-el“ im Deutschen am Ende eines Wortes unbetont ist, und betonen das Wort auf der ersten Silbe wie die deutschen Wörter „Schlüssel“ oder „Mantel“. Dabei kommt dann /ˈɛksl/ heraus.
Allerdings ist „to excel“ ein Verb (Bedeutung: brillieren, besonders gute Leistung erbringen, verwandt mit dem Adjektiv „excellent“ bzw. dem deutschen „exzellent“) und zudem herrschen im Englischen eigene Ausspracheregeln. Die Betonung liegt auf der zweiten Silbe. Die korrekte Aussprache: /ɪkˈsɛl/. Das Nomen dazu ist „excellence“, sodass man nicht wie etwa bei „export“ allein durch einen Wechsel des Wortakzents aus dem Verb ein Nomen machen kann.
Trotzdem wird man vermutlich vielfach immer wieder bei der falschen Aussprache landen, da die richtige vielfach nicht verstanden wird.
| “PayPal“
Woher es kommt, dass manche den Namen des amerikanischen Finanzdienstleisters PayPal so aussprechen, als hieße er „PayPaul“, bleibt rätselhaft. Ob es nun daran liegt, dass die korrekte Aussprache von „pal“ (/pæɫ/) nicht bekannt ist, wohl aber die (englische) von „Paul“ (/pɔːɫ/), oder ob „Pal“ gleich als „Paul“ gelesen wird: Nach der falschen Aussprache scheint es, als bezahle ein gewisser Paul für uns unsere Rechnungen. Irgendjemand muss da einmal etwas falsch gelesen haben und unzählige andere folgen dieser Person in ihrer Aussprache. Dabei ist „PayPal“ wörtlich nur der (namenlose) „Bezahlkumpel“ (pal = Kumpel), die korrekte Aussprache ist /ˈpeipæɫ/.
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Interessant zu sehen wie viele Wörter wir eigentlich übernommen haben.
Hallo Herr Umlauf,
vielen Dank für Ihren Beitrag. Manchmal hilft es, gewisse Wortkonstrukte zu filetieren. Dies erleichtert in der Tat den Umgang mit einer solch schweren Kost. Insofern freue ich mich sehr über den konstruktiven Hinweis zum Umgang mit solchen Wortungetümen und bin zudem sehr gespannt auf weitere Beispiele von unseren Textern.
Marius Ahlers
Ha, ha, ha: Das ist doch alles nichts gegen die:
Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung
VG, content-werkstatt
Schönes Angebot, Herr Ahlers,
das reizt mich doch, einmal einen Klassiker dagegen zu setzen:
Donaudampfschifffahrtskapitänspatent.
Natürlich mit drei “f” – nach der neuen deutschen Rechtschreibung – dennoch reicht es nur für 37 Zeichen.
Übersichtlicher ist es, nach dem Sinn des Wortes einen der in Deutschland so beliebten Bindestrich-Begriffe zu schaffen:
Donau-Dampfschifffahrt-Kapitänspatent.
Und was spricht eigentlich dagegen, die Bindestriche wegzulassen – dann wird es doch noch übersichtlicher, oder? Jedenfalls dann, wenn wir den Großbuchstaben am Beginn jedes Wortes beibehalten:
Donau Dampfschifffahrt Kapitänspatent.
Sinn, Aussage, Inhalt, Überschaubarkeit und Rezipierbarkeit des Wortes sind dadurch nicht beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil: Die Aufnahmefreundlichkeit für den Leser/die Leserin erhöht sich doch eher noch, finde ich jedenfalls.
So, Herr Ahlers: Jetzt gehe ich nach diesem Muster – gleich ohne Bindestriche und dann grammatisch korrekt ohne Bindung “s”- an Ihr Wortungeheuer mit 63 Buchstaben. Ist es so nicht in jeder Hinsicht viel besser:
Rindfleisch Etikettierung Überwachung Aufgaben Übertragung Gesetz
Wo ich das jetzt gerade mache, fällt mir auf: So weit müssen wir gar nicht gehen mit der Wortaufteilung. Vielleicht genügt auch schon – dabei bleibt das Bindung “s” noch zweimal drin:
Rindfleischetikettierung Überwachungsaufgaben Übertragungsgesetz.
Gespannt auf Widerrede und Zustimmung gleichermaßen grüßt die content.de-community
Peter Umlauf