Das Igelvolksfest

Eine Kindergeschichte von Autorin Bianca2003

Endlich hatte der Frühling wieder Einzug gehalten. Die Sonne schien hell und warm vom Himmel, die Blumen blühten, aus den Bäumen kamen die Knospen und die Vögel zwitscherten. Überall auf den Wiesen, den Feldern und auch im Wald begann wieder das Leben. So auch in dem kleinen Igeldorf, in dem der kleine Igel Robin zusammen mit seiner Familie lebte. Alle Bewohner des Waldes freuten sich über den Frühling, so auch Robin und seine Geschwister Sunny und Bob, und auch Mutter Maggie und Vater Sam. Es war ein langer und harter Winter. Nur selten konnte man einen Fuß vor die Tür setzen. Eisige Temperaturen und meterhoher Schnee machten es meist unmöglich, sich weit vom eigenen Haus zu entfernen. Und so hatten auch der Igel Robin und seine Familie die meiste Zeit des Winters schlafend in ihrem Igelhaus verbracht.

Doch nun waren der Winter endlich vorbei und der Frühling wieder da. Ein wahrer Grund zur Freude. Doch die Bewohner des Igeldorfes freuten sich nicht nur über den Frühling und das schöne Wetter. Auch das anstehende, alljährliche Igelvolksfest stand kurz bevor. Auch hierüber waren alle Igel sehr erfreut und in freudiger Erwartung. Jedes Jahr, im Frühling, kurz vor dem Osterfest, trafen sich alle Igel aus dem Igeldorf auf der großen Lichtung am Waldrand und feierten ein rauschendes Fest. Und so sollte es auch in diesem Jahr wieder sein. Alle Familien, alle Eltern, alle Kinder, jeder Igel kam zu diesem Fest, jedes Jahr. Es war immer eine gute Gelegenheit, Freunde nach einem langen Winter endlich mal wieder zu treffen. Für das leibliche Wohl war immer bestens gesorgt. Jede Familie brachte etwas Leckeres zu essen mit und teilte es mit den anderen. Der Pfarrer der Igelgemeinde sorgte mit seinem Stand immer für viele leckere Getränke. Hier gab es Kaffee und Tee für die Erwachsenen, und Limonade und Punsch für die Kleinen. Und wie auf jedem guten Volksfest durften natürlich auch bei den Igeln spannende Spiele und Wettkämpfe nicht fehlen.

So sollte es dann auch in diesem Jahr wieder sein. Besonders Robin und seine Geschwister Sunny und Bob freuten sich schon sehr auf das Fest. Während Mutter Maggie überlegte, welche Leckereien sie für das Fest vorbereiten könnte, übten Robin und seine Geschwister für die Wettkämpfe, an denen sie teilnehmen wollten. Schwester Sunny wollte am Seilspringen teilnehmen. Wer es hier schaffte, die meisten Sprünge ohne Fehler zu machen, erhielt eine schöne Urkunde und auch ein blaues Band. Bruder Bob interessierte sich sehr für Sport. Und so wollte er am Dreikampf teilnehmen. Hier ging es darum, wer am weitesten Springen, Werfen und am schnellsten laufen konnte. Der Sieger erhielt in jedem Jahr einen tollen Pokal. Robin hatte lange überlegt, an welchen Wettkampf er teilnehmen wollte. Im letzten Jahr noch war er zu klein, um an einem der Wettkämpfe teilnehmen zu können. So konnte er nur seiner Familie zuschauen. Aber in diesem Jahr dann hatte Vater Sam zu ihm gesagt: „Robin mein lieber Junge, jetzt bist du alt genug. Wenn du gerne möchtest, darfst auch du dieses Jahr an einem Wettkampf teilnehmen.“ Robin hatte sich riesig gefreut und lies sich auch nicht zweimal bitten. Jedoch musste er lange überlegen, welchen Wettkampf er gerne bestreiten würde. Letztendlich hatte er sich dann für das Sackhüpfen entschieden. Hier nahmen oft die kleinsten Igel teil. Es ging darum, in einem Sack möglichst schnell eine Strecke von 50 Metern zu schaffen. Da die Teilnehmer hier meist kleine Igelkinder waren, war der erste Preis immer ein tolles Spielzeug. In diesem Jahr ging es um ein schönes blaues Modellauto. Robin wollte schon immer ein solches Spielzeug besitzen. Umso härter trainierte er, wann immer er Zeit hatte, um möglichst gute Chancen zu haben, den Wettkampf zu gewinnen.

Während sich Mutter und Kinder vorbereiteten, war Vater Sam damit beschäftigt, neben seiner Arbeit im Sägewerk, beim Aufbau des Volksfestes zu helfen. Ein großes Zelt musste aufgestellt werden, der Stand des Pfarrers, und auch viele Tische und Sitzgelegenheiten zum Ausruhen und gemeinsamen Essen. Und auch für die einzelnen Wettkämpfe musste so einiges vorbereitet werden. So hatte jeder in Robins Familie jede Menge zu tun.

Und dann, an einem Samstag, kurz vor Ostern, war es dann endlich soweit. Es war ein schöner und warmer Tag. Die Sonne schien schon früh am Morgen. Alle freuten sich auf einen schönen Tag. Besonders der kleine Robin war sehr aufgeregt. Das entging auch Vater Sam nicht. „Mein Sohn“, sagte er, „ du weißt ja, hier geht es nicht nur ums Gewinnen, sondern auch um den Spaß“. Für Robin war nicht klar, was Vater Sam damit meinte. Natürlich war für ihn das Gewinnen sehr wichtig. Was hätte es auch sonst für einen Sinn, solche Wettkämpfe zu veranstalten und daran teilzunehmen. Schnell vergaß Robin die Worte seines Vaters und trainierte noch ein wenig, bevor sich die Familie auf den Weg zum Volksfest machte.

Für die Familie war es ein langer Marsch bis zum Festplatz. Mutter Maggie war sehr stolz auf ihre Leckereien und Speisen, die sie der Gemeinde mitbrachte. Sie hatte gebratene Hähnchen vorbereitet, Kartoffelsalat, ein leckeres Ingwerbrot und auch noch einen schmackhaften Apfelkuchen. Robin war sich sicher, dass seine Mutter hier viel Lob und Anerkennung ernten würde. Und auch er freute sich schon sehr, wenn er als Sieger des Sackhüpfend endlich das tolle Auto in Händen halten würde. Die Worte seine Vaters, dass es hier nicht nur ums Gewinnen ginge, hatte er schon längst wieder vergessen.

Auf dem Festplatz angekommen, wurde die Familie auch gleich von vielen Freunden und Nachbarn begrüßt. Auch Robin traf viele Freunde wieder, die er durch den langen und harten Winter lange nicht mehr gesehen hatte. Der ganze Platz war prächtig geschmückt, mit vielen bunten Girlanden und Ballons. Das Zelt war riesig und viele Igel hatten hier schon einen schönen Platz gefunden. Andere Familien hatten es sich auf einer Decke auf der Wiese gemütlich gemacht. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen. Aber Robin konnte sich auf nichts konzentrieren und hatte nur seinen Wettkampf im Kopf. Das entging auch Mutter Maggie nicht. „Robin mein Schatz“, sagte Sie, „Versteif dich doch nicht so auf deinen ersten Wettbewerb. Hab Spaß und genieß die Zeit mit uns und den Freunden. Das ist doch das Wichtigste.“ Robin hörte zwar, was Mutter Maggie sagte, doch die Worte prallten an ihm ab. Für ihn war nur eins wichtig, das blaue Auto.

Nachdem alle Familien eingetroffen und sich ein wenig gestärkt hatten, ging es auch schon bald mit dem ersten Wettkampf los. Mutter Maggie war stolz, ihre Speisen hatten allen gut geschmeckt. Auch Robin fand alles sehr lecker und hatte sich ausgiebig gestärkt. Da auch Vater Sam zu Genüge mit dem Aufbau beschäftigt war, nahm er an keinem Wettkampf teil und nahm sich Zeit, um gemeinsam mit seiner Frau seine Kinder anzufeuern.

Als erstes war Bob dran. Der Dreikampf war der erste Wettkampf des Tages. Los ging es mit dem Laufen. 12 Igeljungen traten hier gegeneinander an. Wer als erster die 100 Meter schaffen würde, würde diesen ersten Teil des Dreikampfes für sich entscheiden. Der Lehrer der Igelschule gab das Startkommando. „Auf die Plätze, fertig, los!“ Und schon rannten die 12 Igeljungen wie verrückt los. Zunächst lag Bob ganz weit vorne, wurde dann aber von immer mehr Igeljungen überholt. Bob kam als fünfter ins Ziel. Während Bob mit seiner Leistung zufrieden war, konnte Robin diese Euphorie seines Bruders nicht teilen. Seiner Meinung nach war nur ein Sieg ein Grund zur Freude. Als nächstes musste Bruder Bob dann seine Wurfkraft unter Beweis stellen. Mit einem Ball mussten die 12 Igeljungen so weit wie möglich werfen. Bob schaffte hier eine Weite von 15 Metern und wurde vierter. Wieder ging es Robin wie nach dem Wettlaufen. Während Bob zufrieden war, war Robin schon fast ein wenig enttäuscht. Denn jetzt hatte Bob kaum noch eine Chance, den Dreikampf zu gewinnen. Bei der letzten Disziplin, dem Weitsprung, wurde Bob dann Zweiter. Leider reichte dieser gute Zweite Platz aber nicht zum Gesamtsieg des Wettbewerbs. Während Jimmy, ein Freund von Bob, den Pokal erhielt, bekamen Bob und die anderen Teilnehmer nur einen kleinen Trostpreis. Doch Bob war dennoch glücklich und zufrieden. Er hatte sein Bestes gegeben und hatte viel Spaß zusammen mit seinen Freunden gehabt. Robin verstand seinen Bruder nicht.

Nach Bob war dann Sunny dran. Insgesamt 7 Igelmädchen nahmen an dem Springseilwettkampf teil. Die ganze Familie feuerte Sunny an. Nacheinander musste hier dann jede der Teilnehmerinnen so viele Sprünge wie möglich schaffen, ohne einen Fehler zu machen. Sunny war als Dritte dran. Die erste Kandidatin, Sue, schaffte 73 Sprünge, die Zweite, Jennifer, schaffte 88 Sprünge. Dann war Sunny an der Reihe. Robin jubelte ihr zu. Und tatsächlich, Sunny schaffte 102 Sprünge. Robin war stolz und sich sicher, dass seine Schwester gewinnen würde. Nachdem alle 7 Teilnehmerinnen an der Reihe waren, stand das Ergebnis fest. Sunny hatte tatsächlich gewonnen. Die ganze Familie war stolz. Auch Sunny freute sich sehr über die schöne Urkunde und das tolle blaue Band.

Umso mehr wollte jetzt auch Robin seinen Wettkampf gewinnen. Nach einer kurzen Pause war es dann soweit, der letzte Wettkampf des Tages, das Sackhüpfen der kleinen Igelkinder, stand an. Robin war sehr nervös. Da flüsterte sein Bruder Bob ihm ins Ohr: „Kleiner, hab einfach Spaß. Ich habe auch nicht gewonnen, aber Spaß hat es mir gemacht.“ Die Worte seine Bruders waren Robin egal, er wollte nur eins, gewinnen. Und schon fiel der Startschuss. So schnell er konnte machte sich Robin in seinem Sack auf den Weg. Sein Ziel, alle anderen 10 Teilnehmer hinter sich zu lassen. Er war so fixiert, dass er nicht bemerkte, dass er immer weiter von seiner Bahn abkam. Und so passierte es. Nach der Hälfte der Strecke kam Robin auf die Bahn seinen Mitstreiters Mike und beide fielen zu Boden. Der kleine Luke ging als Sieger aus dem Rennen hervor. Mutter Maggie und Vater Sam eilten schnell zu Robin, aus Angst, er könne sich verletzt haben. Körperlich aber fehle Robin nichts. Nur sein Stolz, der war verletzt. Und er war enttäuscht. Enttäuscht von sich selbst. Alle lieben und tröstenden Worte halfen ihm nicht darüber hinweg. Jetzt wollte Robin nur noch alleine sein und verkroch sich hinter einen Baum.

Lange saß Robin alleine da und weinte auch ein wenig. All die anderen aber, auch seine Familie, feierten noch ausgelassen im Zelt. Und auch Mike, den Robin beim Sackhüpfen mit umgerissen hatte, war wohl auf, feierte ausgiebig und schien fröhlich zu sein. Robin konnte das nicht verstehen. Zu gerne hätte er doch dieses schöne blaue Auto gewonnen. Mike etwa nicht? Wieso konnte Mike so fröhlich sein? Und auch sein Bruder Bob, der ebenfalls nicht gewonnen hatte, schien viel Spaß mit seinen Freunden zu haben. Nur Robin saß alleine da und trauerte seinem verpatzten Sieg nach. So lange hatte er hart trainiert und sich vorbereitet. Und das alles sollte jetzt umsonst gewesen sein?

Als er so dasaß, erinnerte sich Robin an das Fest im vergangenen Jahr. Hier hatte auch er viel Spaß gehabt und mit seinen Freunden gespielt und gefeiert. In diesem Jahr aber, in dem Jahr seines ersten Wettkampfes, hatte ihm das Igelvolksfest so gar keinen Spaß gemacht. Robin war traurig und enttäuscht. Plötzlich aber musste der kleine Igel wieder an die Worte seiner Familie denken. Dass es bei dem Fest nicht nur ums Gewinnen gehen würde, sondern um den Spaß und die gemeinsame Zeit. Und plötzlich wurde Robin so einiges klar. Er konnte keinen Spaß haben, weil er eben nur an das Gewinnen gedacht hatte. Dabei waren Spaß und Freude einfach auf der Strecke geblieben. Und auch jetzt trauerte er nur um seinen verpatzten Sieg, anstatt mit seinen Freunden zu spielen und zu feiern.
Robin konnte nicht glauben, wie dumm und kindisch er sich verhalten hatte. Schnell wischte er sich die Tränen aus seinem Gesicht und rannte zu seiner Familie. “Ihr hattet Recht“, sagte er, „nicht das Gewinnen ist das Wichtigste, sondern der gemeinsame Spaß!“. Vater Sam war sehr stolz auf seinen Sohn. Und auch Mutter Maggie war es. „Robin mein Schatz“, sagte sie, „für mich bist du heute der wahre Sieger. Denn du hast etwas ganz Wichtiges gelernt und verstanden. Wir sind sehr stolz auf dich!“. Robin war überglücklich. Und so konnte die Familie doch noch ein paar schöne und unbeschwerte Stunden auf dem Volksfest genießen, bevor sie dann alle gemeinsam den Heimweg antraten.

Robin war sich sicher, auch das nächste Igelvolksfest würde wieder ein voller Erfolg werden. Nicht etwa wegen der Wettkämpfe und weil er unbedingt einen gewinnen wollen würde, sondern einfach, wegen der gemeinsamen Zeit und dem gemeinsamen Spaß. Sehr glücklich und zufrieden schlief Robin an diesem Abend ein.

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