Es passierte bereits am zweiten Tag: Ungeduscht, mit einem Kaffee in der Hand und sonst nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet meldete ich mich um kurz nach 7 Uhr im Firmenchat mit einem ostwestfälisch-knappen „Moin“ zum Dienst. Bis zur ersten Videokonferenz um 9 Uhr hat man ja noch Zeit, sich hübsch und frisch zu machen. Willkommen im Homeoffice-Klischee.
COVID-19 hat nicht nur das Land, sondern inzwischen die ganze Welt fest im Griff. Das Leben in den Innenstädten kommt (zu) langsam zum Stillstand. Kitas, Schulen und Unis haben geschlossen. VW, Audi, Daimler und BMW stoppen die Autoproduktion, IKEA & Co schließen ihre Filialen. Social Distancing ist angesagt, seit dem letzten Wochenende auch ganz offiziell auf Anweisung aus Berlin. Wer kann, arbeitet im Homeoffice
Das content.de-Team arbeitet nun bereits in der zweiten Woche im Homeoffice. Was sind unsere Erfahrungen, wie ergeht es uns dabei?
Frühzeitiger Notfallplan
Blicken wir zuvor zurück in die letzte gemeinsame Woche im Büro. content.de hatte bereits frühzeitig einen Notfallplan vorbereitet. Da auch die Backend-Systeme von content.de webbasiert sind, ist lediglich ein VPN-Tunnel für den sicheren Zugriff vom heimischen Netzwerk aus notwendig. Unsere Telefonanlage ist von Anfang an cloudbasiert und bietet eine große Flexibilität, was die Weiterleitung auf externe Anschlüsse oder Apps angeht.
So weit die Theorie. Die Praxis sieht dann gewöhnlich etwas anders aus. Daher haben wir bereits im Vorfeld einen Übungstag absolviert, bei dem ein Teil der Mitarbeiter das Homeoffice getestet hat. Wichtigste Erkenntnis daraus: Ein Notebookbildschirm ist für einen kompletten Arbeitstag ungeeignet. Standardmäßig sind unsere Arbeitsplätze mit jeweils zwei 24-Zoll-Monitoren ausgestattet, mit denen es sich deutlich komfortabler arbeiten lässt. Auch haben sich Wohnzimmertisch und Stuhl nicht als sonderlich bequem erwiesen.
Bezeichnenderweise am Freitag dem 13. haben wir entschieden, das komplette Büroteam ab der folgenden Woche bis auf Weiteres aus dem Denkwerk Herford ins Homeoffice zu verlegen. Im Laufe des Tages und Abends stellte sich immer mehr heraus, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten, denn die Ereignisse begannen sich zu überschlagen. Plötzlich war die Nation mit der Schließung von Schulen & Kindergärten konfrontiert.
Um ein angenehmes Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen, packten sich einige Mitarbeiter kurzerhand Monitore und teilweise auch Rechner in den Kofferraum. Auch unter DSGVO-Gesichtspunkten eine pragmatisch sinnvolle Lösung, bei der Datenspeicherung auf unternehmensfremder Hardware verhindert wird.
Homeoffice: Läuft!
Nach einigen Verbindungstests am Wochenende lief der Homeoffice-Betrieb am Montag auch (fast) reibungslos an. Hier und da mussten nochmals die Passwörter für den Fernzugriff neu gesetzt und ein paar Einstellungen für den Firmenchat vorgenommen werden. Dank moderner Fernwartungssoftware ist das heutzutage aber auch problemlos möglich.
Nach fast zwei Wochen im Homeoffice kann man rekapitulieren: Es hat sich alles eingespielt. Der Betrieb von content.de läuft reibungslos. Viele Kunden befinden sich ebenfalls im Homeoffice und tragen es ebenso mit Humor, wenn im Hintergrund Kinder lärmen oder Hunde bellen. Das Onlinemarketing ist eben eine Branche, die prädestiniert ist für das Homeoffice. Auch bei der Anzahl der Neuregistrierungen auf unserer Plattform macht sich die Corona-Krise leicht positiv bemerkbar. Im digitalen Marketing wird gerade von vielen Unternehmen kräftig Gas gegeben. Einen Corona-bedingten Auftragsrückgang haben wir daher aktuell nicht zu verzeichnen.
Gerade auf der Autorenseite zahlt sich das Crowdworking-Konzept derzeit besonders aus. Diverse ehemalige Autoren erinnern sich plötzlich an ihre Zugangsdaten und werden wieder aktiv. Während Zahlreiche Soloselbstständige im Land durch massive Umsatzeinbrüche gerade ernsthafte Probleme bekommen, arbeiten unserer Autoren weiter wie bisher.
Neues Umfeld
Während die Texter ans Homeoffice gewöhnt sind, ist für viele von uns der Wechsel vom Großraumbüro in die eigenen vier Wände gewöhnungsbedürftig. Dienstliche Kommunikation und Sozialkontakt müssen anders organisiert werden.
Für die eigene Arbeit ist die Trennung von Beruf und Privatleben wichtig. Normalerweise fährt man zum Dienstschluss den Rechner herunter, steigt ins Auto und fährt nach Hause. Wenn man jetzt einfach nur die dienstlichen Browser-Tabs schließt, sich ein Glas Rotwein einschüttet und am gleichen Bildschirm, auf dem man eben noch eine Kundenanfrage bearbeitet hat, Netflix startet, um die neue Folge “Better Call Saul” zu sehen, dann macht man etwas falsch. Dienstschluss muss bedeuten aufzustehen und erstmal etwas anderes zu machen.
Das häusliche Umfeld
Auch das eigene Umfeld muss lernen, mit der Situation klarzukommen. Natürlich platzt der Nachwuchs gerade dann ins Büro, wenn man konzentriert auf die Seite Programmcode starrt und versucht nachzuvollziehen, was man sich vor ein paar Jahren dabei gedacht hat und warum das jetzt mit dem neusten Update nicht mehr zusammenarbeiten will. Nur weil die Finger gerade nicht über die Tastatur fliegen und auf dem anderen Bildschirm spiegel.de geöffnet ist, kommt der Nachwuchs zu dem logischen Schluss: „Du arbeitest ja gerade nicht, dann kannst Du mir ja was bei Amazon bestellen, ist wichtig, brauchen wir für die Schule, WIR haben ja keine Ferien und müssen ja was tun!“
Ist irgendwie schwer vermittelbar, dass das Lesen von E-Mails oder die Nutzung der Firmenchatgruppe durchaus Arbeit sein kann.
Wichtiger Fixpunkt im Tagesablauf sind (s. u.) die täglichen Videokonferenzen der einzelnen Abteilungen zu festen Zeiten. Einfach mal andere Gesichter sehen ist wichtig und hebt ein Gespräch auf eine ganz andere Ebene. Nach ein paar Versuchen nutzen wir dazu Google Hangouts-Meet oder Zoom. Skype konnte uns weniger überzeugen. Neben den Videokonferenzen kommunizieren wir untereinander mit unserem Chat-Tool oder bei komplexeren Angelegenheiten mit dem klassischen Telefon.
Der Gang in die Küche zur Kaffeemaschine ist im Büro meist mit einem kurzen Schwätzchen unter Kollegen verbunden. In der heimischen Küche trifft man meist „nur“ die eigene Ehefrau, die ebenfalls im Homeoffice ist und auch gerade einen Kaffee benötigt. Die Gesprächsthemen sind da eher organisatorischer Art und drehen sich weniger um Sportergebnisse oder den Verriss des Tatorts vom Vortag, bei dem selbige Ehefrau eingeschlafen ist, weshalb sich ein Gespräch darüber erübrigt. Weiterer Nachteil: Hier hat man täglich Küchendienst.
CEO-Fraud
Im Homeoffice lauern für Unternehmen noch ganz andere Gefahren. Schon mal von CEO-Fraud gehört? So erreichte unsere Buchhaltung in diesen Tagen eine Mail mit gefälschtem Absender. In der angeblich vom Vorstand stammenden Mail wurde nach dem Kontostand gefragt und eine dringende Überweisung angekündigt.
Da wir untereinander ganz anders kommunizieren als in dieser Mail, war der Kollegin sofort klar, dass hier ein Betrugsversuch vorlag. Zum Schein gingen wir auf die Anfrage ein und fragten nach Überweisungsdetails, die auch prompt geliefert wurden. Gut 46.000 Euro sollten für „Beratungsdienstleistungen“ auf ein Konto in England überwiesen werden. Die Empfängerbank wurde informiert, das Konto dürfte mittlerweile geschlossen sein.
Die U-Boot-Regeln
Jan Böhmermann und Olli Schulz haben in ihrem Podcast “Fest & Flauschig” auf die wichtigen U-Boot-Regeln aufmerksam gemacht, die nicht nur U-Boot-Fahrern helfen, eine längere Einsatzfahrt zu überstehen, sondern auch im Homeoffice wichtig sind:
– Tagesroutine: Die tägliche Videokonferenz zur festen Zeit oder vorher festgelegte Telefontermine helfen den Tag zu strukturieren.
– Privatsphäre: Muss auch sein. Nach Dienstschluss keine dienstlichen E-Mails mehr lesen und das Mittagessen wird mit dem Rest der Familie am Küchentisch eingenommen und nicht neben der Tastatur gelöffelt.
– Essen: Gutes Essen ist wichtig und hilft den Tag zu strukturieren. Selber mit frischen Zutaten kochen hält fit.
– Sport: Die Fitness darf nicht leiden. Wenn es die Umgebung zulässt, gehört eine feste tägliche Runde mit dem Rad oder in Joggingschuhen zum Tagesplan. Andernfalls gibt es viele gute Angebote auf YouTube.
– Putzen und Ordnung halten: Auch an seinem Homeoffice-Arbeitsplatz sollte man regelmäßig für Ordnung sorgen. Den Staubsaugerroboter wollen wir aber auch nicht arbeitslos machen.
– Kontakte halten: Regelmäßige Videochats der einzelnen Abteilungen und ein wöchentliches Gesamttreffen helfen dabei, die sozialen Kontakte auch außerhalb der eigenen vier Wände aufrechtzuerhalten. Auch Telefonate mit Kunden und Kooperationspartnern sind manchmal die bessere Wahl als eine einfache E-Mail. Oft sitzt am anderen Ende auch jemand einsam im Homeoffice und ist froh über ein wenig Smalltalk.
– Perspektive: Alles hat ein Ende, auch die COVID-19-Krise wird einmal vorbei sein. Wie viele Wochen das dauert, werden wir sehen. Eins ist sicher: Die Kaffeemaschine im Denkwerk wird wieder in Betrieb genommen und dann ist irgendein Kollege dran mit dem Entkalken.
Das ist authentisch! Mir scheint auch, es ist das einzige Unternehmen, dass bei seinem Umzug ins Homeoffice an die IT-Sicherheit denkt.
Noch ein paar Tipps aus der Praxis: Pack dir einen Stapel dicker Bücher unter das Notebook und arbeite manchmal im Stehen. Rücken und Nacken danken es dir.
Um “Mails-Lesen” eindeutig zur Abreit zu erklären und anderen anzuzeigen, dass Mutti jetzt ARBEITET!!!, nutzen wir eine kleine Kreidetafel. Auf der einen Seite steht “Arbeit” auf der anderen “Quasseln”.
Mehr Aufträge? Nein, das merke ich auch nicht. Vor allem nicht aus den Bereichen Camping, Reisen und Touristik, obwohl ich nicht hoffe, dass ausgerechnet die Neuzugänge die Aufträge wegschreiben.
Trotzdem: Es macht Freude zu lesen, dass Ihr alles hinbekommt! Weitermachen 😉
Stimmt ja. Mal sehen, was ist denn sonst noch knapp …?? Desinfektionsmittel. Oder Atemmasken: Dieses Briefing ist so gut, da bleibt mir glatt die Luft weg. Na dann 😉 …
Ich schrieb ja auch “wenig hilfreiche” 😉
Hallo Herr Dr. Sigge,
das mit dem Toilettenpapier ist aber ein wenig schmeichelhafter Vergleich ;).
Wie gut, dass unsere Textergüsse überwiegend virtuell – und eher selten auf Papier gedruckt -unterwegs sind :D! Grüße!
Hallo Flanka,
tatsächlich sind in diesen Tagen deutlich mehr Autoren auf der Plattform aktiv als sonst. Ich erwähnte, dass sich viele ehemalige Autoren plötzlich wieder an ihre Zugangsdaten erinnerten. Auch die Anzahl der Neuregistrierungen hat zugenommen. Somit sind neue Aufträge im Open-Order-Bereich schneller vergeben als sonst. Ich hoffe, das erklärt ein wenig die Situation, auch wenn es ähnlich wenig hilfreich ist wie: “Wir bekommen jeden Tag zwei Paletten Toilettenpapier geliefert, aber die sind dann immer nach 10 Minuten weg”.
Hallo,
schön, dass es für das content.de-Team … läuft!
Allerdings den Punkt mit der Auftragslage kann ich als Texterin nicht nachvollziehen. Ich sehe hier zumindest in den OpenOrders einen massiven Einbruch. Wenn der durch einen Anstieg an DOs für andere Kollegen ausgeglichen sein sollte, freue ich mich zwar für diese und content.de mit. Aber an mir persönlich, als täglich hier Ausschau haltende Vollerwerbs-Freelance-Autorin, geht dieser unterstellte Ausgleich dann rasiermesserscharf vorbei – zumindest auf dieser Plattform. Würde mich sehr wundern, wenn ich ein Einzelfall wäre :o/
Nur mal so als “Gegengewicht”…
nicht bewusst SEO-optimiert, aber für “ceo fraud homeoffice” schafft es der Beitrag auf Seite 1 bei Google 😉
Danke für den Erfahrungsbericht,
Herr Sigge. Dieser Beitrag “lächelt” die Leser*innen an – ist er auch suchmaschinen-optimiert? Selbst als Rentner, der nur noch gelegentlich für content.de tätig ist, arbeite ich inzwischen im Home-Office.
Als treuer Parteisoldat – noch ist die NRW-Kommunalwahl am 13. September ja nicht verschoben – sitze ich inzwischen annähernd täglich ebenfalls in einer Video-Konferenz. Der Terminplan von Kreisverband und Landespartei für den Wahlkampf stand ja schon vor der Corona-Krise und alle Arbeitstreffen finden jetzt als Videokonferenz statt. Begleitet natürlich von einem deutlichen stärkeren Austausch per Telefon und E-Mail, als er bei persönlichen Treffen anfiele. Das face to face-Gespräch über die anstehenden Aufgaben und vor allem das, was nebenher, zwischendurch, davor und danach noch zwischen einzelnen Leuten geklärt wird, ist über die Konferenzschaltung nicht vollständig zu ersetzen.
Meine wöchentliche Meditationsrunde findet inzwischen übrigens auch als Videokonferenz statt: Für die Anbieterin war es ganz selbstverständlich, das so fortzusetzen, weil es im Studio in persönlicher Runde jetzt verboten ist.
Das gilt auch für meine Kurse im zurzeit geschlossenen Fitness-Studio: Dynamic Yoga mache ich inzwischen zu Hause. Dafür ist es ebenfalls sinnvoll, für den Laptop noch einen großen Zusatz-Bildschirm zu haben – und zwei externe Lautsprecherboxen.
Eine Katze, Herr Sigge, gibt es in meinem Home-Office übrigens nicht – und leider auch keine dauerhafte weibliche Besetzung, der ich in der Küche gerne begegnen würde. Allerdings auch keine Kinder, die genau im falschen Augenblick hereinplatzen.
Coronavirus-freie Grüße an die content.de- community von
Peter Umlauf