Die Onlinemarketing Rockstars sind gewachsen und umgezogen. Nachdem in den letzten beiden Jahren die Große Freiheit 36 auf der Reeperbahn aus allen Nähten platzte, zog man um auf die andere Elbseite in das Stage Theater, in dem sonst das Musical König der Löwen läuft und verdoppelte so die Besucherkapazität. Viele Rockstars schaffen den sauberen Sprung vom Club in die Arena und dann ins Stadion nicht, da sie massenkompatibler werden müssen, um die neuen Veranstaltungsorte auch zu füllen. Oftmals treten sie den alten Fans dabei auf die Füße. So stand die Frage im Raum, ob die Onlinemarketing Rockstars nun zu den Onlinemarketing Musicalstars mutierten.
Die neue, sterile Location hat mit ihren an Musicalpublikum gewohntes Personal sicherlich etwas am Charme der „alten“ Rockstars gekratzt. Trotzdem haben die Rockstars den Sprung geschafft und Phillip Westermeyer hat auch 2014 mit seinem Team eine ansehnliche Veranstaltung mit vielen Highlights auf die Beine gestellt.
Mit 30 Minuten Verspätung startet die Veranstaltung mit einem hervorragenden Vortrag von Johna Peretti, dem Gründer von Buzzfeed. Das Thema Reichweitengenerierung wurde ausgeschmückt mit zahlreichen Anekdoten aus seiner Laufbahn wie den Nike Sweatshop – Emails und seiner Webseite BlackPeopleLoveUs.com. Darüber hinaus ging es darum, warum und welche Inhalte in sozialen Netzwerken geteilt werden.
Ben Edelmann von der Harvard Business School wollte uns vor Google warnen, verfehlte dabei aber etwas die Zielgruppe. Mich konnte er mit seinen „Enthüllungen“ nicht vom Sessel reißen, obwohl der Vortrag an sich nicht schlecht war.
Christoph Schäfer (Performance Media) berichtet uns vom Display Advertising, dass aktuell wie ein Phönix aus der Asche wieder aufersteht. Durch User-Targeting reduziert sich die Anzahl der geschalteten Anzeigen und die Streuverluste werden drastisch minimiert. Trotz gestiegener Mediapreise sinken so die CPO.
Rand Fishkin zeigte sich wieder als echter Entertainer und präsentierte seine Sicht von SEO 2014. Wichtige Erkenntnis: Heutzutage gilt
better content > more content
Das erklärt warum es in letzter Zeit deutlich weniger 3* Aufträge nicht nur auf unserer Plattform gibt.
Florian Heinemann stellt im Duett mit Danuta Florczyk verschiedene Onlinemarketing Tools vor. Während die Einzelvorträge von Florian Heinemann immer hörenswert sind, funktioniert das Duett leider weniger. Zu oft grätscht Heinemann Danuta Florczyk in die Parade und unterbricht sie. Leider entsteht hier nicht der lockere Flow, den man sonst aus seinen Vorträgen kennt. Interessant war es dennoch.
Der Vortrag von Elvir Omerbergovic, dem President of Rap von Universal Music, beschäftigte sich mit der Herausforderung, Produkte zu promoten, die von den herkömmlichen Medien gemieden werden. Die berichten eben nicht gerne über diese (Zitat) „Mutterfickerthemen“.
Wie man nach einem guten Vortrag noch einen drauf setzen kann um den Vortrag außergewöhnlich zu machen, zeigte Marketingprofi Michael Trautmann… oder er hatte die Einladung irgendwie falsch verstanden:
Dann ging es in die Mittagspause, nicht ohne einen Kurzauftritt von „Das Bo“ im Bademantel (Künstler stehen erst gegen Mittag auf), der traditionell für die Aftershow Party Werbung machte.
Als „Halftime-Show“ kündigte Ben Huh seinen Vortrag nach der Mittagspause an. Der Gründer des bekannten Fail-Blogs referierte unterhaltsam darüber, wie die Devices sich auf die transportierten Inhalte auswirken.
Cornelius Rost folgte mit einem öden Werbevortrag ohne Mehrwert über Qeep. Grausige Erinnerungen an das letzte Jahr wurden wach: Sollte der Nachmittag wieder qualitativ abfallen gegenüber dem Vormittag?
Es folgte ein weiterer Lichtblick, nicht nur für Fußball-Fans, nicht nur für BVB Fans. Carsten Cramer vom BVB zeigte, wie man Marketing für ein extrem emotionales Produkt macht, ohne unter dem Zwang zu stehen, etwas verkaufen zu müssen. Die 54.000 Dauerkarten sind es schon verkauft. Sein Ziel ist es, Emotionen zu schaffen und die Marke BVB zu festigen.
Nach diesem Highlight gab es gleich das nächste Tief. Zuschauer blickten sich verwundert an. Was sollte der folgende Vortrag. Da erzählten Nico Putz und Adrian Oettl doch tatsächlich etwas über Trafficgenerierung durch Forced Klicks. Als ich vor über 10 Jahren ins Affiliatemarketing einstieg was das schon out. Was sollte dieser 90er Flashback liebe Veranstalter? Es war übrigens das einzige Mal, dass an diesem Tag das Wort Affiliate in den Mund genommen wurde. Wie ich im letzten Jahr schon bemerkte, wurde das Affiliatemarketing bereits 2013 zu Grabe getragen.
Es folgte „3 Companies to watch“ … ein überflüssiger Werbeblock, der mich bereits im letzten Jahr genervt hat. Dann sollte es in die Kaffeepause gehen. Traditionell findet diese allerdings nicht statt, da stattdessen ein Überraschungsgast auftritt. Im letzten Jahr Jan Delay, dieses Jahr Fettes Brot.
Gute Ratschläge für Bettina hatten sie auch dabei.
Die 30 Minuten Verzögerung vom Anfang der Veranstaltung rächten sich nun bitterböse. Da man bereits durch die Kaffeepause und das Mittagessen gehetzt war, war an einen Ausfall der Kaffeepause nicht zu denken. Die Leute wollten alle mal „für kleine Rockstars“ und etwas trinken. In der Großen Freiheit war die Theke direkt neben der Bestuhlung, in den Saal des Stage-Theaters durfte man keine Speisen und Getränke mitnehmen – darüber wachten Aufsichten an den Eingängen. So verließen die Zuschauer mit Beginn des Vortrags von Thomas Brandhoff fluchtartig den Saal und trudelten erst später wieder ein. So ging dieser Vortrag leider unter, auch ich schaffte den Einstieg nicht mehr.
Die anschließende Panel Diskussion zum Thema „Smart Data“ war dagegen wieder überflüssig. Die Vertreter von Firmen wie der Deutschen Post oder Otto haben eben keinen Mut für provokante Statements.
Den Abschluss bildete ein großartiger Vortrag von John Battelle, dem Gründer des Wired Magazins. Menschen mit seiner Historie sind ein Garant für spannende Vorträge. So gab es viele Selbstironische Einblicke in seine Karriere, die Schaltung des ersten Werbebanners, seine Pleite nach dem Platzen der dot.com Blase, seinen zahlreichen (erfolglosen) Versuchen sich zur Ruhe zu setzen. Neben einem Blick in die Vergangenheit und Gegenwart gab es aber auch einen interessanten Blick in die Zukunft.
Ein Vortrag aus dem man viel mitnehmen konnte bevor wir wieder die Fähre bestiegen um auf das andere Elbufer zu gelangen.
Was bleibt inhaltlich hängen: In jedem Vortag wurde die Bedeutung von gutem Content betont. 2014 wird das Jahr werden, in dem erstmals mehr Zugriffe über Smartphones als über Desktop-PCs erfolgen. Onlinemarketing wird immer komplexer, der schon im letzten Jahr aufgezeigte Trend zu Big Data-Anwendungen und User-(Re-)Targeting hat sich bestätigt und verstärkt.
Wie sollte es in Zukunft mit den Rockstars weitergehen? Die Auswahl der Speaker und der Ansatz, viele von Ihnen einzufliegen, hat sich ausgezahlt. Allerdings leisten sich die Veranstalter jedes Jahr immer noch einen tiefen Griff ins Klo: Im letzten Jahr war es der Schminktip-Youtube“Star“, dieses Jahr der Vortrag von Putz und Oettl, sowie mehrwertlose Panel-Diskussionen oder Skype Liveschaltungen. Lieber auf schwache Programmpunkte verzichten und dafür den Pausen den nötigen Raum geben. 2.000 Zuschauer in die Kaffeepause zu schicken benötigt nun mal seine Zeit.
Die neue Größe der Veranstaltung passt und sollte erst einmal gehalten werden. Nächstes Jahr – wie angedeutet – in die Color-Line Arena zu wechseln wäre sicher verfrüht. Die Rockstars haben den ersten Sprung geschafft, und nur wenig eingebüßt. Für mich persönlich war die Große Freiheit immer verbunden mit meinem ersten Robert Plant Konzert vor 21 Jahren, das ich hier aus der ersten Reihe erleben durfte. Das Stage-Theater kann ich nur mit massenkompatiblen Musicals verbinden. Musicals – so sagte mal ein weiser Mann namens Al Bundy – sind schließlich auch nur mittelmäßige Theaterstücke, in denen die Schauspieler grundlos anfangen zu singen.
Ich versuche morgen mal Tickets für das Konzert auf der Waldbühne in Berlin im Juni zu bekommen…
Obwohl ich nicht sonderlich reich bin, ist Geld für gewisse Basics immer vorhanden. Wirklich gute Business Events gehören dazu. Manche Messen auch. Die Stones in jedem Fall.
🙂
Es gibt viele gute Veranstaltungen, von denen man wirklich etwas mitnehmen kann. Leider kosten die Tickets teilweise so viel wie ein Ticket für ein Rolling Stones Konzert 🙁
Ich lese gern lebendige Kommentare. Das hat direkt Lust gemacht, im nächsten Jahr mal selbst an so einem Event teilzunehmen. Von Post und Otto hätte ich vorab nichts wirklich wissenswertes erwartet. Das wär der richtige Moment für die Pause gewesen.
🙂
Die Tippfehler und überflüssigen Leerzeichen (wo denn?) sind mir bei solch einem emotionalen und guten Veranstaltungsbericht völlig schnuppe. Ich wäre gern dabei gewesen und hätte wohl doch nur Bahnhof verstanden. Gut, dass wir den Herrn Sigge haben, der uns (mir) sämtliche angesprochenen Inhalte gut verdaulich und häppchenweise als Schmankerl auf den Content-Teller legt. 🙂
Die wichtigste Lehre aus diesem – sehr professionell geschriebenen – Bericht für mich persönlich: Noch besser und mehr schreiben und jeden Tag dazu lernen. Hoffentlich gibt es auch in der Zukunft genug Aufträge in meiner Kategorie.
Danke für die Blumen. Das mit den Leerzeichen schiebe ich einfach auf den Kollegen, der den Text gegengelesen hat 😉
Danke für den Bericht, ist wirklich interessant. Außerdem flüssig aus dem Handgelenk und der Seele geschrieben, entsprechend gut und gern liest es sich. Mir passieren bei den Flüssigen und Interessanten auch immer solche Patzer wie doppelte Leerzeichen und so 😉
*duckundweg*
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