Content-Schock

Aufgrund der Annahme, dass mehr Content besser ist als weniger Content?

Der Artikel: »Weniger ist mehr – von der Freude am schwer Zugänglichen«, nutzte das Thema Content-Schock als Aufhänger, um sich mit dem Thema philosophisch auseinanderzusetzen. Mit dem heutigen Artikel möchten wir uns inhaltlich mit dem Thema Content-Schock auseinandersetzen. Warum konnte das Angebot an Inhalten derartig explodieren, und wie hat sich damit auch die Wertigkeit der gebotenen Inhalte verändert? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus unter Umständen für Contentsuchende sowie Texter und Autoren?

Die Kernaussage in der Diskussion »Content-Schock«

Ausgangspunkt ist der Beitrag »Content Shock: Why content marketing is not a sustainable strategy» von Mark Schaefer, der eine positive nachhaltige Wirkung von Content Marketing für jedes Business bezweifelt.

Es gibt zwei provokative Thesen, die er im Artikel aufstellt:

  1. Die Leser sind nicht mehr in der Lage den zur Verfügung stehenden Content zu konsumieren.
  2. Wir bezahlen Menschen dafür, dass Sie unsere Inhalte konsumieren.

Das Angebot an Inhalten ist in den letzten 10 Jahren  gestiegen, wohingegen die Nachfrage zunehmend stagniert. Den Menschen fehlt schlicht und ergreifend die Zeit, die angebotenen Inhalte nachzufragen.

Die Entwicklung des Internets und des Marktes mit den Inhalten

Mark Schaefer beschreibt in seinem Artikel, welche Veränderungen im Web er persönlich von 1997, dem Startpunkt mit der berühmten AOL-CD, bis zum Jahr 2014 wahrgenommen hat.

Zwei signifikante Tendenzen sind in den letzten zehn Jahren deutlich erkennbar:

1. Mehr Inhaltsträger und eine gestiegene Anzahl an Kanälen zu Verbreitung.
2. Eine permanent wachsende Anzahl von Produzenten/Herausgebern von Inhalten.

Blicken wir etwas weiter zurück:

Zum Zeitpunkt des ersten Buchdrucks gab es eine überschaubare Anzahl von Inhalts-Produzenten und klar definierten Inhaltsträgern in Papierform (Zeitungen, Zeitschriften und Bücher). Wir haben uns von einer Industriegesellschaft über die Dienstleistungsgesellschaft hin zu einer Informationsgesellschaft entwickelt und mit dieser Entwicklung hat die Zahl der Informationsanbieter ständig zugenommen. So hat sich zum Beispiel die Anzahl der Blogs von 35,4 Mio. im Jahr 2006 mit 173 Mio. im Jahr 2011 mehr als vervierfacht!

Entwicklung Anzahl Blogs weltweit von 2006 -  2011

Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/220178/ umfrage/anzahl-der-blogs-weltweit/

Das Jahr 2014 ist das Jahr, in dem Content-Marketing zum Buzz-Wort der Branche avanciert. Doch der Grund für den explosionsartigen Anstieg von Inhalten ist einige Jahre zuvor zu finden.

Die wachsende Gier nach einzigartigen Inhalten:
Affiliates, die SEOs der ersten Stunde, sorgen für Inhalte!

Fand man in den ersten Jahren des Internets in der Regel Content, der intrinsisch motiviert erstellt worden ist, weil die Beteiligten wirklich etwas mitteilen wollten, so hat sich eine Veränderung vollzogen.

Mit den aufkommenden Möglichkeiten der Trafficmonetarisierung wurden die Suchmaschinen von einer Personengruppe als Vertriebskanal erkannt. Die ersten SEOs waren geboren! Ihr Ziel: Webseiten gut sichtbar in den Suchergebnissen platzieren, um über die Teilnahme an Partnerprogrammen, den generierten Traffic bestmöglich zu monetarisieren. Es wurde viel experimentiert und die Techniken zur Traffic-Generierung ununterbrochen optimiert. Goldgräberstimmung ist da die treffende Beschreibung für diese Situation, in der recht simple SEO-Ansätze zu erstaunlichen Ergebnissen führten.

»Wo nichts ist, kann auch nichts gefunden werden!« Um den Suchmaschinen Futter zu liefern, wurden viele Texte von den Affiliates geschrieben und dadurch das Web mit Texten regelrecht vollgepumpt. Diese veränderte Motivation, für die Erstellung von Inhalten, führte im Zusammenspiel mit der permanent steigenden Anzahl an Contentproduzenten zu einer sinkenden Durchschnittsqualität des Contents. Insbesondere Texte mit dem Fokus der Berücksichtigung einer Keyworddichte von X% haben zu einem Qualitätsabfall geführt, was im Artikel: »Vom Keywordspam zu guten Inhalten», von Stefan David ebenfalls thematisiert wird. Provokativ bewertet er diese Texte mit den Worten »lieblos zusammengeklöppelt«, und bringt damit den fehlenden Mehrwert auf den Punkt.

Von der Herausforderung nützliche, einzigartige und aktuelle Inhalte zu finden.

Die Tatsache, dass immer mehr Inhaltsquellen zur Verfügung stehen, führt zu einem Dilemma: »Der Zeitaufwand, um signifikante, einzigartige und neuwertige Informationen zu finden, ist immens gestiegen.« Der Nachfrage nach Inhalten steht ein schier unüberschaubares Angebot, welches qualitativ durch jeden einzelnen Suchenden zu verifizieren ist, gegenüber. Auch den Suchmaschinen fällt es nach wie vor, trotz laufender Optimierungen schwer, immer die hochwertigen Ergebnisse zu liefern.

Manch einer sehnt sich bei diesem Informationsüberfluss in die gute alte Zeit zurück, in der der Brockhaus noch als das Standardnachschlagewerk fungierte. Sich auf eine überschaubare Anzahl an Informationsquellen, oftmals namentlich bekannter Journalisten oder renommierter Texter, konzentrieren und auf das geschriebene Wort verlassen zu können war ein Segen. Es galt: »Was in der Zeitung steht, ist korrekt.«

Web 1.0 => Web 2.0 => Web 3.0? (Facebook und Social Media)

Das Web durchlebt eine Evolution. Waren die Möglichkeiten mit dem Web 1.0 ausschließlich auf den Konsum beschränkt, sind wir spätestens seit dem Stadium Web 2.0 zum gestaltenden Element – Lieferant von Inhalten – geworden. Das Web 3.0, sofern man den Einfluss von Facebook und Social Media unter diese Überschrift zusammenfasst, haben den gestalterischen Rahmen deutlich vergrößert.

Die »Publikationsfreiheit«, also die Freiheit des Einzelnen, seine Meinung öffentlich, zum Beispiel über einen Webblog oder über den Facebook-Acount darstellen zu »können«, führt zu mehr Inhalt und stellt damit die Konsumenten vor zwei Herausforderungen. Diese lassen sich unter dem Oberbegriff der Medienkompetenz bündeln:

1. Inhalte müssen aufwändiger recherchiert werden.
2. Der Inhalt ist zu verifizieren. Frage: Wie glaubwürdig ist die Quelle, die für die Qualität der Inhalte steht?

Denn nicht immer geht der Möglichkeit des Einzelnen mit seinem »Können« einher. Die Qualität der Inhalte sowohl im sprachlichen aber auch im inhaltlichen Bereich muss darunter zwangsläufig leiden.

Für Wen schreiben wir genau genommen die »guten« Inhalte?

An dieser Stelle eine gewagte These:

»Würden nur derjenigen schreiben, die aus tiefsten Herzen etwas Mitzuteilen haben, liefert dies Inhalte, die mit Hingabe, Leidenschaft und dem ihnen gebührenden Qualitätsanspruch verfasst worden sind!«

In den letzten Jahren wurde die Mehrzahl der Texte geschrieben, um die Sichtbarkeit eines Webprojektes zu erhöhen. Diese Texte wurden »ohne Herz« und primär als Suchmaschinenfutter geschrieben, um über die Suchergebnisseiten die Konsumenten auf die Webseiten der Verfasser der Texte zu leiten und aus dessen Besuch Profit zu generieren.

Die Vorgehensweise hat dazu geführt, dass diesen Texten ein Makel, in Form eines fehlenden Mehrwerts für den Leser, anhaftet. Wenn das primäre Ziel bei der Texterstellung in der Erreichung einer definierten Keyworddichte liegt, spielt der Inhalt eine untergeordnete Rolle. Auch nur so lässt sich der exponentielle Anstieg von oberflächlichen Inhalten erklären. Denn wahrhaft treffende Texte brauchen Zeit und lassen sich nicht so einfach aus dem Boden stampfen. Texten ist ein schweißtreibendes Handwerk. Es ist zu recherchieren, zu formulieren, zu redigieren, sprachlich zu feilen und vieles mehr. Ähnlich eines guten Weines braucht der Reifeprozess für einen herausragenden Text seine Zeit.

Fazit:

Es ist unstrittig, das die Konsumenten einer nicht zu bewältigen Menge an Inhalten gegenüberstehen. Diese Situation ist jedoch keineswegs auf das Internet beschränkt sondern zieht sich durch unser gesamtes gesellschaftliches Leben. Die Anzahl der Radio- und Fernsehprogramme ist in eine Höhe gestiegen, die das »Studium des Tagesprogramms« zu einer Tagesaufgabe werden lässt. Das zeitliche Budget eines Normalsterblichen reicht somit kaum aus, das tägliche Angebot zu sichten, geschweige denn, gar alles zu konsumieren. Trotz alledem ist keineswegs von einem Rückgang der Informationsflut auszugehen.

Vielmehr lassen Trends wie »Big Data«, oder der Wunsch, auch persönlich immer mehr Daten erheben zu wollen, auf eine schier endlos ansteigende Informationsmenge schließen.

Texter und Unternehmen, die Informationen transportieren, werden sich gedanklich intensiver mit den Inhalten und deren Zielgruppen auseinandersetzen müssen. Die Planung von hochwertigen Inhalten und deren zielgruppengerechte Aufbereitung müssen ein ehrliches Anliegen sein, das heißt, Qualität und der Wunsch einen Mehrwert liefern zu wollen, muss ernsthaft gelebt werden.

Dennoch wird es die »Gebrauchstexte«, zum Beispiel in Form von Produktbeschreibungen und Kategoriebeschreibungen weiterhin geben, denn ohne diese Texte wird das Web nicht funktionieren. Fachaufsätze mit Quellenangaben haben bei vielen Produkten nichts zu suchen und würden einen potenziellen Käufer eher abschrecken als ihn zum Kauf zu animieren. Entscheidend ist jedoch auch bei diesen Texten, dass der Schreiber sich auf das »essenzielle« Handwerk konzentriert und einen vorteilhaften Text für den Leser schreibt.

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