Interview mit Michael Ebmeyer: Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzer

Michael Ebmeyer
Dieses Autoreninterview fällt aus der Reihe, denn es findet nicht mit einem Autor von content.de sondern mit dem Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzer Michael Ebmeyer statt. Michael Ebmeyer lebt in Berlin, hat Komparatistik und Kulturwissenschaften studiert und inzwischen fünf Romane, einen Erzählband und zwei Sachbücher veröffentlicht. Sein Roman Der Neuling wurde als Ausgerechnet Sibirien mit Joachim Król in der Hauptrolle verfilmt. Für den Film schrieb er zusammen mit Minu Barati das Drehbuch. Passend zur Fußball-WM erschien sein aktueller Essay-Band DAS SPIEL MIT SCHWARZ-ROT-GOLD – Über Fußball und Flaggenfieber. Im Rahmen einer Lesung zu diesem Buch traf ich meinen alten Schulfreund, nicht nur um über alte Zeiten zu quatschen, sondern auch über unsere aktuellen Berufe, die sich dann doch wieder um das drehen, was uns schon in der Schule und im Studium immer wieder beschäftigt hat: Texte!

Viele unserer Autoren träumen hin und wieder vom „eigenen Buch“ und einer Karriere als Schriftsteller. Zugegeben: Eigene Texte zu schreiben ist spannender als Auftragsarbeiten zu schreiben. Daher wollen wir unseren Autoren mit diesem Interview einen kleinen Einblick in den Arbeitsalltag eines Autors geben, der seinen Lebensunterhalt mit eigenen Texten verdient.

Am Freitag findet das nächste Spiel der deutschen Nationalmannschaft statt. Mindestens bis dahin zieren viele Autos deutsche Flaggen. Zeit genug, ein wenig über das Flaggenfieber in Deutschland nachzulesen. Also auf in den nächsten Buchhandel oder Onlineshop und „DAS SPIEL MIT SCHWARZ-ROT-GOLD“ ordern.

2001 erschien Dein erstes Buch, ein Band mit Erzählungen. Kannst Du uns grob den Weg schildern von der ersten Idee des Projektes bis das Buch schließlich im Landen stand?

Im Sommer 1998 war ich mit meinem Studium fertig. Eine halbe Stelle als Wissenschaftlicher Assistent an der Uni Tübingen stand in Aussicht. Ich beschloss, parallel einen Einstieg in den „seriösen“ Literaturbetrieb zu suchen, zunächst mit Kurzgeschichten. Im Herbst 1999 hatte ich Glück: Mit meiner Einsendung zum Literaturwettbewerb „open mike“ wurde ich zur Endrunde nach Berlin eingeladen, und bei einigen Lektor/innen im Publikum kamen meine Texte gut an. Nun hatte ich Verlagskontakte, wurde mit dem Verlag Kiepenheuer & Witsch einig, konnte aus den Erzählungen, an denen ich schrieb, ein Buch zusammenstellen – und im März 2001 erschien „Henry Silber geht zu Ende“.

Wie gehst Du einen Roman an? Skizzierst Du einen Plan der Handlung, definierst Du die Charaktere vorab in einer Art Steckbrief, oder lässt Du sie sich beim Schreiben entwickeln?

Ich mache mir viele Notizen, aber kaum systematische Skizzen. Ein mehr oder weniger grobes Handlungsgerüst habe ich im Kopf, wenn ich zu schreiben beginne, aber es ändert sich stark im Prozess, letztlich entsteht es auch erst beim Schreiben. Die Charaktere fangen vor allem dadurch an zu leben, dass ich sie in Szenen werfe.

Was hat sich im Laufe der Jahre und verschiedenen Buchprojekte an Deiner Arbeitsweise geändert? Gehst Du ein Romanprojekt heute anders an als vor zehn Jahren? Was hast Du dazu gelernt?

Vor zehn Jahren hatte ich keine andere Wahl, als einfach drauflos zu schreiben. Wie gesagt, ich bin kein großer Vorabkonzipierer. Aber verallgemeinern lässt sich das alles natürlich nicht. Bis auf dass man mit den Jahren Erfahrung ansammelt und sie hoffentlich irgendwie in den Schreibprozess einfließen lassen kann.

Damit das Endprodukt eine „runde Sache“ wird, muss man hin und wieder mal eine ursprüngliche Idee radikal verändern oder auch Teile streichen, in die man wohlmöglich viel Arbeit und Herzblut gesteckt hat. Viele Autoren sehen darin eins der größten Hindernisse bei der Fertigstellung eines Projektes. Wie schwer ist für Dich das Loslassen von liebgewonnenen Ideen?

Nicht sehr schwer. Auch das muss man lernen: Es geht um die „runde Sache“, nicht um das Herzblut. Zur Not kann man ja aus gestrichenen Teilen auch wieder etwas anderes machen.

Einige Deiner Bücher spielen in Ländern, die Du zuvor selber bereist hast. Was war vorher da? Die Romanidee oder der Wunsch das Land kennen zu lernen?

Bei Sibirien – wo mein Roman „Der Neuling“ größtenteils spielt – war der Wunsch, dorthin zu reisen, zuerst da. Bei „Landungen“, einer deutsch-argentinischen Familiengeschichte, die zum Teil auf der Geschichte meiner eigenen im 19. Jahrhundert ausgewanderten Vorfahren beruht, war es zuerst die Romanidee. Wobei – wer wünscht sich nicht, Roman hin oder her, einmal durch Argentinien zu reisen? Es war wunderschön.

Wie sieht Dein Arbeitsplatz aus. Wann hast Du Deine produktivsten Phasen am Tag? Du hast zwei Kinder, die Dich im Home-Office sicher gerne von der Arbeit abhalten – wie organisiert man sich da?

Das wüsste ich auch gerne. Produktive Phasen habe ich zwangsläufig dann, wenn die Kinder in der Schule bzw. Kita sind. Und oft bleibt mir nichts anderes übrig, als mich noch einmal an den Schreibtisch zu setzen, wenn sie abends schlafen.

Von Hemingway erzählt man sich, dass er abends die Anzahl der geschriebenen Worte akribisch protokollierte. Wie schaffst Du es, dich zu disziplinieren um Termine zu halten?

Der finanzielle Druck diszipliniert mich.

Wir beide verdienen unseren Lebensunterhalt mit Texten. Vor rund 30 Jahren haben wir gemeinsam angefangen Schülerzeitungen herausgegeben, während des Studiums eine Satirezeitschrift gegründet, zwischendurch für die Lokalzeitung gearbeitet. Muss man das Schreiben „im Blut“ haben? Kann man es lernen, oder nur stetig besser darin werden“?

Einen Drang dazu muss man wohl haben, sonst würde man nicht schreiben. Aber wenn man daraus eine mehr oder weniger professionelle Tätigkeit machen will, muss man auch bereit sein, es immer weiter zu lernen. Schreiben ist ja nur zum geringen Teil Inspiration, hauptsächlich Handwerk.

Du hast nach Deinem ersten Erzählband fünf Romane und zwei Sachbücher veröffentlicht. Dein Roman „Der Neuling“ wurde verfilmt und kam als „Ausgerechnet Sibirien“ in die Kinos. Für den Film hast Du auch das Drehbuch geschrieben. Grob gerechnet kommst Du so auf ein Buch pro Jahr. Hand aufs Herz: Kann man allein davon eine Familie ernähren, oder muss man sich als Buchautor noch ein weiteres Standbein zulegen?

Nicht nur ein weiteres Standbein, mehrere. Nur eine sehr kleine Minderheit der Autoren kann mit dem Schreiben allein eine Familie ernähren. Wobei es auch viele gibt, die keine Familie haben. Und viele, die ihre Familie zusammen mit einer Person mit festem Einkommen gründen.

Ab wann gilt heutzutage ein Buch in Deutschland als erfolgreich? Wie viele Exemplare muss man verkaufen, damit der Verlag über ein weiteres Buch mit einem spricht?

Verlage können ja, außer den Verkäufen, auch noch andere Gründe haben, über ein weiteres Buch mit einem zu sprechen. Ich hörte einmal, dass ein Verlag ab 3.000 verkauften Exemplaren normalerweise Gewinn macht. Als Bestseller gilt ein Buch ab etwa 20.000 verkauften Exemplaren.

Was würdest Du jemandem raten, der selber einmal ein Buch schreiben möchte? Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen, welche Veröffentlichungen bereits vorweisen können, wie konkret sollte das Erstlingswerk vorkonzipiert sein, um bei einem Verlag vorzusprechen? Ist es sinnvoll mit einem (vermeintlich) fertigen Roman bei Verlagen vor der Tür zu stehen?

Der Literaturbetrieb ist durch verschiedene Flaschenhälse zugänglich. Das berüchtigte „Einsenden unverlangter Manuskripte“ an Verlage gilt ja als besonders wenig aussichtsreich, ich habe aber auch schon Gegenbeispiele erlebt. Klassisch ist der Weg über Wettbewerbe wie open mike und Literaturzeitschriften. Grundsätzlich braucht man aber keine Veröffentlichungen vorzuweisen, ein tolles Manuskript sollte reichen. Vorausgesetzt natürlich, man hat großes Glück. Denn ohne großes Glück kommt man gar nicht rein, da kann das Manuskript noch so toll sein.

Foto: Martina Lüdicke

9 thoughts on “Interview mit Michael Ebmeyer: Schriftsteller, Drehbuchautor und Übersetzer

  • 9. Juli 2014 at 19:48
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    @Christ
    Stimmt. Natürlich gibt es viele unseriöse Agenten, wie es unseriöse ‘Verlage’ gibt. Allerdings finde ich nicht, dass Referenzen schwer prüfbar sind. Ein Blick auf die unter Vertrag stehenden Autoren oder vermittelten Bücher genügt in der Regel schon. Die meisten Agenten weisen schon auf ihrer Homepage darauf hin, dass die Provision (15-%-20%) natürlich nur im Fall einer erfolgreichen Vermittlung anfällt.
    Seriöse Agenten geben natürlich auch bereitwillig Auskunft über ihre Arbeitsweise, Erfolge, ihre Kontakte und Vita.
    Weitere hilfreiche Listen sind übrigens auf der Seite ‘Autorenwelt’ von Sandra Uschtrin und der Homepage der Kollegin Petra Schier zu finden.
    Bei Agenten wie Verlagen gilt: Sobald jemand im Vorfeld Geld vom Autor möchte, Finger weg. Egal wofür, wieso, weshalb und warum. Seriöse Agenten verdienen erst, wenn der Autor verdient und seriöse Verlage bezahlen den Autor und lassen sich nicht von diesem bezahlen. Punkt.

  • 9. Juli 2014 at 15:12
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    Hallo Zusammen,

    die Hinweise von Brigantia und Artheon lese ich mit Sorge, denn es gibt auf dem Markt auch viele Halunken, die erstmal eine (saftige) Gebühr verlangen und dann gar nix mehr tun. Gerade neue Autoren sind da manchmal leichte Beute, weil Sie dieses Geschäft oftmals etwas naiv angehen und an das Gute im Menschen glauben. “Literaturagent” kann sich jeder auf die Visitenkarte drucken. Angebliche Referenzen sind oft schwer zu prüfen. Es ist nichts gegen eine angemessene Provision zu sagen, nur darf die erst NACH Vertragsabschluss erfolgen, und dann bitte nicht für die Vermittlung an einen “Selbstverlag” bei dem der Autor einen “Druckkostenzuschuss” zahlen muss. Sicher mag es auch gute Literarturagenten geben, allerdings gibt es da draußen mindestens ebenso viele unseriöse Angebote. Also Augen auf im Literaturverkehr!

  • 9. Juli 2014 at 15:03
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    Ich schließe mich Artheon zu 100% an. Der Weg über eine Literaturagentur ist einfach der erfolgversprechendste. Zumindest, wenn man seine Romane bei einem der großen Publikumsverlage unterbringen möchte. Klein(st)verlage sind für einen Autor auch gut ohne Agentur zu erreichen, hier muss jeder selbst wissen, welche Ziele er verfolgt.

    Der Gewinn eines Wettbewerbs ist natürlich nie falsch, aber es muss schon einer der wirklich namenhaften sein, um das Interesse eines Verlags zu wecken.

  • 8. Juli 2014 at 12:07
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    Wer sich austauschen möchte zu Schreiben, Verlagsuche und Literaturagenturen,
    der kann mir gerne schreiben: theo.ja@web.de

    Bis dann, Artheon

  • 7. Juli 2014 at 13:31
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    Hallo,

    herzlichen Dank für das Angebot. 🙂

    Ich schreibe auch gerade mein erstes Buch und würde mich über einen Austausch freuen. Wie und wo?

    Liebe Grüße,
    Nadine

  • 6. Juli 2014 at 12:37
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    Hallo Atheon,

    ich interessiere mich sehr für die Empfehlungen bzgl. der Verlagssuche, da ich selbst mein erstes populärwissenschaftliches Buch im Spätsommer beenden werde.

    Wie können wir uns austauschen?

    Liebe Grüße
    Josy

  • 5. Juli 2014 at 20:18
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    Muss man das Schreiben „im Blut“ haben? Kann man es lernen, oder nur stetig besser darin werden“?

    Wenn mir jemand in der Schule gesagt hätte, dass ich einmal mit Schreiben Geld verdienen würde, den hätte ich ausgelacht. Meine Klausuren waren immer die kürzesten, obwohl ich regelmäßig als einer der Letzten fertig war. Ein leeres Blatt Papier und ein Stift waren für mich ein Gräuel.

    Auch heute noch fällt mir das Schreiben am leichtesten, wenn ich weiß, es sind nur noch zwei Stunden bis zur Abgabe für die drei- oder vierhundert Worte, aber ich versuche solche Abgaben in der oft buchstäblich letzten Minute zu vermeiden. Ohne den Zwang, mit Schreiben Geld verdienen zu müssen, hätte ich es wohl nie gelernt. Trotzdem scheint es so, dass mir das Schreiben im Blut liegt – nur eben etwas anders.

  • 2. Juli 2014 at 15:19
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    Danke für das anregende Iiterview und die Einblicke. Ich möchte, selber Buchautor und auch Texter bei content.de zwei Ergänzungen machen:
    1. Für ein Sachbuch reicht es, dem Verlag ein gutes Expose vorzulegen. Prosa sollte komplett vorliegen, sonst kann man sich keinen Eindruck vom zu erwartenden Werk machen.
    2. Nach meiner eigenen Erfahrung ist der beste und oft einzige Weg, mindestens das erste Buch mit Hilfe einer Literaturagentur an den Verlag zu bringen. Das hilft sehr, auch beim Schreiben eines Exposes. Man bekommt dazu auch ein gutes Feedback über Qualität der eigenen Schreibe. Wer von mir Empfehlungen hierzu haben möchte, darf sich gerne bei mir melden.

    Gruß, Artheon

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