Leichte Sprache – eine Sprache für Chancengleichheit

Motivation durch Megafon von einem Kind

Der Zugang von Information ist für viele Menschen selbstverständlich. Das Internet bietet Tipps und Tricks für jeden Hobbykoch, -heimwerker, -Modedesigner, liefert Nachrichten, Wetterauskünfte, Wegbeschreibungen, ist Eventkalender, Lexikon und Shoppingparadies usw. – Ergebnis: Informationen immer und überall. Das ist zwar praktisch, aber eben längst auch Alltag.

Was aber, wenn uns alle Texte, denen wir im Alltag begegnen – und auf die wir tagtäglich zurückgreifen – , ausschließlich in einer uns nicht erschließbaren Sprache vorlägen? Wenn wir ohne die Hilfe eines Übersetzers keine Chance hätten, an Informationen zu kommen? Für viele Menschen ist genau das Alltag. Der Zugang zu Informationen wird für sie durch eine Barriere blockiert, die unüberwindbar zu sein scheint – die Sprache. Einem großen Teil der deutschen Bevölkerung bereitet das Lesen und Verstehen standardsprachlicher Texte bereits so große Probleme, dass ihm die Information – und somit ein grundlegender Aspekt der gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmung – verwehrt bleibt und er deshalb ständig auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Es geht längst nicht nur um (praktischen) Input für die Freizeitgestaltung, sondern eben auch um essentielle Informationen, etwa von Behörden und Ämtern, ohne die ein (möglichst) eigenständiges Leben nicht möglich ist.

Dabei ist die Zugänglichkeit von Informationen auch für Menschen mit Einschränkungen gesetzlich verankert. So fordert u. a. das Behindertengleichstellungsgesetz Bundesbehörden dazu auf, nicht nur „bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel [und] technische Gebrauchsgegenstände“, sondern auch „Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen“ barrierefrei zu gestalten.

Ein mittlerweile bedeutendes Instrument, mit dem die Barrierefreiheit schriftlicher Information erzielt werden kann und zum Teil schon wird, ist Leichte Sprache. Bundesbehörden, wie z. B. der Bundestag, sind dazu verpflichtet, die Informationen auf ihren Webauftritten auch in Leichter Sprache bereitzustellen.

Aber was genau heißt eigentlich „Leichte Sprache“? Wer profitiert von Leichter Sprache und wie funktioniert sie? In unserem heutigen Blogbeitrag wollen wir das Konzept Leichte Sprache unter die Lupe nehmen, einige Regeln aufgreifen, Anlaufstellen präsentieren und mit Vorurteilen aufräumen.

Was heißt Leichte Sprache?

Leichte Sprache ist eine Varietät des Deutschen. Im Gegensatz zu anderen Varietäten, die i. d. R. „natürlich“ entstanden sind, handelt es sich bei Leichter Sprache um eine Plansprache, die speziell für die schriftliche Kommunikation konzipiert wurde. Sie folgt den Regeln der deutschen Standardsprache, deren Grammatik und Wortschatz jedoch für den Gebrauch in Leichter Sprache extrem heruntergebrochen und in reduzierter Form angewendet werden. Damit ist sie weniger komplex und leichter verständlich.

Wer profitiert von Leichter Sprache?

Die Zielgruppe von Leichter Sprache ist sehr heterogen und beinhaltet alle Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Schwierigkeiten beim Lesen standardsprachlicher Texte haben. Dazu gehören u. a. Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, Menschen mit Einschränkungen in der Sinneswahrnehmung, z. B. Gehörlose, deren Muttersprache die Gebärdensprache (nicht Deutsch) ist, Menschen mit einer Lese-Rechtschreibschwäche, Funktionale Analphabeten, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen (Migranten, Touristen etc.) sowie Menschen mit altersbedingten Einschränkungen. Durch die vereinfachte Satzstellung, den reduzierten Wortschatz und die übersichtliche Gestaltung geht Leichte Sprache auf die unterschiedlichen Bedürfnisse dieser heterogenen Adressatengruppe ein. Allein dadurch beläuft sich die Zahl der potentiellen Leser für Leichte-Sprache-Texte in der Bundesrepublik schätzungsweise auf etwa 20 Millionen Menschen – eine beachtliche Zahl an Menschen, die bislang aus der Welt der Texte ausgeschlossen wurden.

Leichte Sprache – komplexes Regelwerk

Leichte Sprache ist ein relativ junges Forschungsfeld, das erst seit einigen Jahren zunehmend Beachtung findet. Dementsprechend waren (auch) die Regeln für die Texterstellung in Leichter Sprache bislang sehr allgemein und verstanden sich eher als Richtlinien, statt den Textern konkrete Regeln zur Verfügung zu stellen. Mit Empfehlungen wie „Kurze Sätze“, „Einfacher Wortschatz“ oder „Negation vermeiden“ ist es jedoch nicht getan, denn was ist „kurz“, was ist „einfach“, und lässt sich die Verneinung tatsächlich immer vermeiden? Ein flächendeckender Zugang und eine verlässliche Qualität verlangen jedoch ein konkretes und wissenschaftlich fundiertes Regelwerk. 2014 hat die Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim ein solches Regelwerk herausgebracht, welches die bisherigen „Richtlinien“ auf den Prüfstand nimmt, die Schwierigkeiten der Erstellung von Leichte-Sprache-Texten aufzeigt und ein konkretes Regelsystem präsentiert. Die zahlreichen Regeln reichen von Zeichen,- Wort-, Satz- und Textebene über ethische Grundprinzipien bis hin zu Typographie und Layout der Texte.
Für einen groben Einblick in die vielschichtigen Regelungen hier ein paar Beispiele:

Auf Zeichenebene:  

  • Zahlen werden als Ziffern geschrieben (10 statt zehn).
  • Als Lesehilfe bei langen Wörtern stehen Bindestrich oder Mediopunkt zur Verfügung (Forschungs-stelle bzw. Forschungsžstelle statt Forschungsstelle)

Auf Wortebene: 

  • möglichst Grundwortschatz verwenden (Vogel statt Nymphensittich)
  • Fach- und Fremdwörter vermeiden oder erklären, sofern sie für den Text zentral sind

Auf Satzebene:         

  • Aktiv statt Passiv
  • Verbalstil statt Nominalstil (Lisa freut sich sehr statt Lisas Freude ist groß)
  • eine Aussage pro Satz
  • Verneinung vermeiden (Peter ist traurig statt Peter ist nicht glücklich)

Auf Textebene:  

  • Verwendung gleicher Wörter für gleiche Sachverhalte (Synonyme vermeiden)
  • Zwischenüberschriften verwenden
  • Bebilderung altersgerecht gestalten

Auf Layout-Ebene:

  • Listen statt Aufzählungen
  • Hervorhebungen durch Fett-Druck
  • serifenlose Schriftarten verwenden

Leichte Sprache, leichte Textarbeit?

Natürlich ist diese Liste längst nicht vollständig und nur sehr oberflächlich angerissen. Dennoch lässt sich bereits erahnen, dass Leichte Sprache nicht mit leichter Texterstellung verwechselt werden sollte. Maximale Verständlichkeit zu erzeugen ist mit einem hohen Arbeits- und Konzeptionsaufwand verbunden. Komplexe Ideen müssen mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mittel ausgedrückt werden. Dabei lassen sich nicht alle Regeln immer konsequent anwenden. Nicht immer kommt der Übersetzer um eine Verneinung herum, will er den Textinhalt korrekt widergeben. Manche Vorgaben stehen zudem im Widerspruch zueinander. So sorgen einige Regeln auf der Satzebene beispielsweise für Probleme auf der Textebene. Denn die Beschränkung des Satzinhaltes auf eine Aussage bedeutet auch, dass Texte in Leichter Sprache automatisch die Tendenz haben, lang und ausladend zu werden. Für die Verständlichkeit – das Ziel Leichter Sprache – muss allerdings auch die Textlänge zumutbar bleiben, andernfalls verlieren Leser schnell den Überblick oder sind mit der Länge schlicht überfordert. Leichte-Sprache-Texter stecken also permanent in dem Dilemma zwischen reduktiven und additiven Verfahren. Pauschallösungen gibt es nicht. Vielmehr müssen Autoren und Übersetzer für jeden Text individuelle, auf die Zielgruppe und die jeweilige Textfunktion abgestimmte Lösungen finden und die einzelnen Regeln ständig gegeneinander abwägen. Dies erfordert neben den Kenntnissen der Regeln vor allem auch die der Zielgruppen sowie Kreativität und übersetzerische Fähigkeiten.

Leider ist Leichte Sprache trotz gesetzlicher Verankerung und dem gesellschaftlichen Diskurs um Inklusion noch immer weitgehend unbekannt oder mit vielen Vorurteilen behaftet. Wir räumen damit auf:

Leichte Sprache – Verunglimpfung der deutschen Sprache?

Manche befürchten durch die flächendeckende Verwendung Leichter Sprache den Verfall der Deutschen Sprache. Solche Befürchtungen sind unbegründet. Leichte Sprache ist ein barrierefreies Zusatzangebot und zielt nicht darauf, standard- oder fachsprachliche Texte zu ersetzen. Dies ist auch gar nicht möglich, denn viele Textsorten ließen sich gar nicht ersetzen (Gesetzestexte, Literatur, Fachtexte etc.). Aufgrund der sprachlichen Einschränkungen können Übersetzungen in Leichter Sprache auch niemals rechtskräftig sein. Sie können aber in den meisten Bereichen eine Brückenfunktion übernehmen, indem sie einen inhaltlichen Zugang ermöglichen, selbst wenn dieser eingeschränkt bleiben muss.

Hält Leichte Sprache das Sprachniveau niedrig?

Andere kritische Stimmen sehen in Leichter Sprache einen Ansatz am „falschen Ende“. Sie befürchten, dass die Bereitstellung „aller“ Informationen in Leichter Sprache dazu beitrage, das Sprachniveau der Zielgruppen dauerhaft niedrig zu halten, da es nun keine Motivation für den Ausbau der Lesefähigkeiten gäbe. Auch diese Befürchtung lässt sich aus der Welt räumen. Denn die Motivation für den persönlichen Ausbau von Lesefähigkeiten setzt ja eine Auseinandersetzung mit Texten voraus, die aber ohne geeignete Texte (in Leichter Sprache) gar nicht erst möglich ist. Leichte Sprache beweist auch hier ihre Brückenfunktion und kann etwa für funktionale Analphabeten oder Deutsch-Lerner ein Sprungbrett auf dem Weg zu standardsprachlichen Texten werden. Davon abgesehen wird ein Großteil der Zielgruppe dauerhaft unter einem eingeschränkten Lesevermögen leiden, Motivation hin oder her. Diese Menschen haben ein Recht auf eine angemessene Informationsbereitstellung durch Leichte Sprache.

Leichte Sprache – Chancen für Viele!

Für Autoren, Übersetzer und Berufstexter ist der Bereich Leichte Sprache natürlich besonders interessant, denn der Bedarf an Leichte-Sprache-Texten ist groß und wird auch künftig im Zuge der gesetzlichen Umsetzung stetig wachsen. Schon jetzt gibt es viele Agenturen, die Übersetzungen oder Texte in Leichter Sprache liefern. Schulungen in Leichter Sprachen bietet u. a. das Netzwerk Leichte Sprache sowie die Forschungsstelle Leichte Sprache an.

Mit der großen und heterogenen Gruppe potentieller Adressaten von Leichter Sprache wird diese auch aus (der) Marketing-Perspektive interessant, nämlich für die Unternehmen, die mit ihren Texten die Reichweite ihrer Angebote vollends ausschöpfen wollen. Mit Leichter Sprache lassen sich unter Umständen neue Zielgruppen erschließen und bestehende ausbauen. Und letztendlich geht es im Wettbewerb auch um Alleinstellungsmerkmale. Hier bietet Leichte Sprache durchaus das Potential, sich als Pioniere von der Konkurrenz abzuheben. In Bezug auf SEO bringt Leichte Sprache ebenfalls bereits Vieles mit, was für Suchmaschinenoptimierung und Nutzerfreundlichkeit Relevanz hat: Übersichtliches Textdesign, klare, kurze Satzstrukturen, fokussierte Aussagen (usw.).

Als gefordertes Instrument der Inklusion wird Leichte Sprache in Zukunft an Bedeutung und Bekanntheit gewinnen. Bislang ist das Angebot noch sehr beschränkt und wird vor allem von gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung gestellt. Mit zunehmender Bekanntheit und Nutzung wächst jedoch auch das Potential Leichter Sprache im Privatsektor. Sowohl für Texter als auch für Unternehmer lohnt es, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Leichte Sprache können Sie sich übrigens über content.de schreiben lassen.

Wir übersetzen aber auch Ihre Texte in die Leichte Sprache: 

Quellen:

Bundesvereinigung Lebenshilfe (https://www.lebenshilfe.de/de/ueber-uns/index.php)
Forschungsstelle Leichte Sprache (https://www.uni-hildesheim.de/leichtesprache/)
Netzwerk Leichte Sprache (http://www.leichtesprache.org/)
Cristiane Maaß (2014): Leichte Sprache. Das Regelbuch

10 thoughts on “Leichte Sprache – eine Sprache für Chancengleichheit

  • Pingback: 5 Tipps für gute Webtexte. | Blog content.de

  • 21. April 2016 at 16:08
    Permalink

    Ein wichtiges Thema, dem sich der SGV Verlag mit einem speziellen Texter-Tool für leichte Sprache gewidmet hat. Gehört gerade dort eigentlich in den “Werkzeugkasten”, wo leichte Sprache ein Muss ist, aber das Wälzen umfassender Richtlinien leider zu viel Zeit verschlingt. Zu finden hier: http://www.sgv-verlag.de/sgvshop/Texter-Tools/Die-Leichte-Sprache-Tafel.html

    Wurde übrigens zusammen mit dem Fach-Zentrum für Leichte Sprache Augsburg und dem Netzwerk Leichte Sprache e.V. entwickelt.

  • 15. April 2016 at 17:09
    Permalink

    Okay, Bea,

    wir bleiben dann auf der Insel der Denkenden, die Spaß an originellen Formulierungen haben.

    Ich habe übrigens kein Problem damit, auch andere Sprachmilieus für gleichwertig zu halten. Und dieses Phänomen ist keineswegs erst in der heutigen Zeit entstanden, es hat allerdings mit den globalen Migrationsbewegungen eine in der Menschheitsgeschichte noch nie dagewesene Dimension erreicht. Mein Deutschlehrer hat mit uns auf dem Weg zum Abitur in den 1970er Jahren die “Bottroper Protokolle” behandelt. Die proletarische Sprache des Ruhrgebiets besitzt sehr wohl eine politisch aufklärende Dimension: Spätestens seit Adolf Tegtmeier, der Kohlenpott-Figur des Jürgen von Manger, wissen wir das. Natürlich ist das eine andere Welt als die des Schriftstellers Martin Walser oder die des Streiflichts aus der Süddeutschen Zeitung – und deswegen sollten wir es auch nicht miteinander vergleichen.

    In einem Punkt widerspreche ich, Bea: Content-Texte mit Zwischenüberschriften auch bei 300 Wörtern tragen nicht zur Abflachung des Denkens bei. Absätze und Zwischentitel bilden Lesehilfen, machen für Augen und Gehirn die Rezeption einfacher. Ich habe mich als Zeitungsredakteur gegen viele dumme Zeitgeist-Trends gewehrt und mir damit eine Menge Ärger eingehandelt. Doch gegen kleinteilige, graphisch angenehme und leserfreundlich gestaltete Seiten habe ich nie protestiert. Ein komplexes Thema in Bericht, Fakten, Zitatkästen und Kommentar aufzuteilen, aufgelockert durch Graphiken, Karikaturen und Fotos, macht den Journalismus nicht schlechter – nur besser rezipierbar. Ein Vergleich mit Zeitungsseiten der 1950er Jahre zeigt das, nicht umsonsten heißen sie “Bleiwüsten”.

    Das meint und grüßt
    Peter Umlauf

  • 15. April 2016 at 12:51
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    Ja, lieber Peter Umlauf,

    ich glaube, hier prallen viele Welten aufeinander, die sicher auch mit dem Lebensalter und der Prägung durch die Schule und Uni zu tun haben. Auch ich halte eine differenzierte Sprache hoch und freue mich über schöne, originelle Formulierungen, die den Einsatz des Gehirns nahe legen. Dass aber auch wir mit unseren Texten, die selbst bei 300 Wörtern noch durch Zwischenüberschriften seziert werden, zur Abflachung des Denkens beitragen, ist mir schmerzlich bewusst. Die Faulheit schreitet voran, kleine Häppchen gehen immer noch rein.

    Es gibt allerdings auch eine Strömung der Soziolinguistik, die grundsätzlich jedes sprachliche Niveau gut heißt, da es als “kulturelles Phänomen” gesehen wird. Die jugendlich lässige Aussage “Lass gleich Shisha” wird als milieubedingt akzeptiert, und ein Eingreifen in diese Form der Diktion wird als fehlende Sensibilität gegenüber der zugrunde liegenden Kultur angesehen und abgelehnt.

    Man muss es wohl akzeptieren, dass sich unser Sprachraum in immer mehr Territorien aufteilt. Ab auf die Insel!

    Gruß, Bea

  • 14. April 2016 at 18:32
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    Einverstanden, Frau Einheuser,

    bin ich durchaus mit den Sach-Argumenten, die Sie vorbringen – ergänze einmal zur Inklusion noch folgendes. Bei der Diskussion darüber gerät ein für mich ganz wichtiges Argument ins Hintertreffen: Gerade Sonderschul-Pädagogen betonen immer wieder, dass die Sonderschulen für manche Formen der Behinderungen die bessere Pädagogik bieten. Es gibt Kinder, die bei der Inklusion untergehen und Mitschüler an möglichen Fortschritten hindern.

    Ich beschreibe einmal die Diskussion um die einfache Sprache als eine von vielen Entwicklungen dieser Welt, die bei mir ein “kulturelles Unbehagen” auslösen. Ja, es gibt Menschen, die über die einfache Sprache zu einer Partizipationsmöglichkeit an der gesellschaftlichen Gestaltung kommen, die sie ohne nicht besäßen. Aber was ist mit den vielen Bequemen, den Trittbrettfahrern, denen alles zu schwierig, zu anstrengend und zu kompliziert ist, und die sich jetzt in die Hängematte der leichten Sprache legen? Dabei wären sie durchaus in der Lage, sich mit differenzierter Sprache einen differenzierten Durchblick zu verschaffen.

    Ein schönes Beispiel für das, was ich damit sagen will, ist die seit 1996 immer wieder reformierte Rechtschreibreform. Ich zählte von Anfang an zu den Menschen, die gesagt haben: Diese Reform dient keinem anderen Zweck, als es den Denk- und Lernfaulen bequem zu machen. Aber die sind so faul, dass ihnen selbst die Rechtschreibreform zu anstrengend ist. Deswegen hat dieses Rumgefusche im Ergebnis zu nichts anderem geführt, als das die ehemals Rechtschreibfesten jetzt ebenfalls verunsichert sind und gelegentlich nachschlagen müssen im gedruckten oder internetgestützten Rechtschreibduden. Und wer nicht korrekt schreiben (will!) kann es immer noch nicht.

    Auch wenn ich diesem Staat, zu dem wir gehören, Frau Einheuser, sehr kritisch gegenüberstehe, sage ich doch: Ich will zu keiner anderen Zeit und in keinem anderen Land der Welt leben als im heutigen Deutschland. Ich stelle nur fest, dass immer weniger Menschen eine Bringschuld der Gesellschaft gegenüber spüren. Wir dürfen die Ansprüche an den einzelnen Menschen nicht nach dem Prinzip der Faulheit definieren. Wenn wir immer nur dem Wunsch nach Bequemlichkeit folgen und nicht der Verpflichtung zur Verantwortung, geht die Welt kaputt.

    Die Psychologie weiß übrigens, dass bequeme und faule Menschen keineswegs glücklich sind. Glückshormone wie Dopamin produziert der Mensch, wenn er sich anstrengt.

    Es grüßt in die Runde
    Peter Umlauf

  • 14. April 2016 at 15:42
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    Lieber Sofatexter, machen Sie sich keine Sorgen: Mit diesem Beitrag fordere ich unsere Autoren natürlich NICHT auf, ab sofort ihre Aufträge in Leichter Sprache zu texten. Tut mir leid, dass Sie das missverstanden haben. Vielleicht lesen sie ihn einfach nochmal 😉

    Dieser Artikel ist kein “Ratgebertext für content.de Autoren”, sondern richtet sich an alle, die das Thema Sprache und Schreiben interessiert. Leichte Sprache ist ein Aspekt, der zunehmend diskutiert wird und stark polarisiert. Wieso sollte sich ein Unternehmen wie content.de, dessen Geschäft Sparche und Texte sind, dem Thema nicht widmen? Schließlich ist Leichte Sprache gerade dabei sich global zu verbreiten, und das gestützt durch rechtliche Grundlagen. Leichte Sprache wird sogar bereits an Universitäten erforscht und gelehrt. Damit ist es durchaus ein Thema, das sich für unseren Blog eignet.

    Marieke Einheuser

  • 14. April 2016 at 15:41
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    Lieber Herr Umlauf, ich freu mich wie immer sehr über Ihre umfassende Stellungnahme und kann Ihre Argumente nachvollziehen, glaube aber sie entspringen einer etwas verzerrten Betrachtung.

    Ja, wir leben in einer Welt, die immer komplizierter wird und die immer mehr Sachkenntnis verlangt. Dies ist sehr tragisch für viele Menschen, die somit automatisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, weil sie diese Leistung nicht erbringen, aus welchen Gründen auch immer. Für leistungsorientierte Gesellschaften gilt dieses Prinzip zweifelsohne. Die Frage ist aber, ob wir auf Dauer nicht doch eine sozialere Richtung einschlagen wollen.

    Mit Ihren Forderungen nach kleineren Klassen, Sonder-, Stütz- und Förderkursen, sind Sie gewiss nicht allein. Eltern von Kindern mit Behinderungen, Lernschwierigkeiten, Autismus, Hörschädigung, usw. müssen tagtäglich darum kämpfen, diese Leistungen zu bekommen. Und selbst wenn sie all diese Leistungen bekämen, wäre es unsinnig zu glauben, man könne jedes Defizit “wegfördern”. Deutschland hat gerade erst angefangen sich dem Thema Inklusion zu widmen. Strukturelle Änderungen des Bildungssystems, die tatsächlich inklusiv und nicht bloß “integrativ” sind, nehmen Jahrzehnte in Anspruch. Und selbst wenn sie tatsächlich umgesetzt würden, ist es für viele zu spät, weil sie aus dem Schulalter raus sind.

    Leichte Sprache möchte diese Menschen dort abholen, wo sie sind. Und das ist gut. Sie blockiert auch keinen Lernprozess, weil sie für viele überhaupt erstmalig Zugang zu Texten ermöglicht. Sie hat, wie im Beitrag bereits betont, eine Brückenfunktion.

    Leichte Sprache ist zudem korrektes Deutsch. Ich wüsste nicht, wie maximal verständliche Texte Menschen am Lernprozess hindern sollten.

    Marieke Einheuser

  • 13. April 2016 at 13:40
    Permalink

    Hallo Sofatexter, es schadet nie, auch mal links und rechst des Weges die Augen schweifen zu lassen. Wir sind eine Plattform, auf der es sich um Sprache dreht, da kann es nicht schaden, auch mal über Randaspekte der Sprache zu sprechen. Der 138. Blogbeitrag über die perfekte Produktbeschreibung ist für viele andere nicht so spannend. Tatsächlich hat es in der Vergangenheit auch schon Kundenanfragen zu solchen Texten gegeben. Warum nicht darüber schreiben. Ob man es dann liest (richtig erkannt ;-)) muss jeder für sich selbst entscheiden.

  • 13. April 2016 at 13:32
    Permalink

    Mir erschließt sich nicht so ganz, was uns Autoren mit dem Blogbeitrag gesagt werden soll.

    Im Gegenteil halte ich es für absoluten Quatsch und eine extreme Zeitverschwendung, uns einen derartigen Text vorzusetzen. Gleichzeitig wird immer wieder auf eine abwechslungsreiche Sprache in den Aufträgen gesetzt, das passt wohl nicht so wirklich zusammen.

    Also in meinem mangelhaften Deutsch: Ich will die Zeit zurück, die ich mit diesem Artikel verschwendet habe. (Jaja – ich hätte es nicht lesen müssen – weiß ich selbst.)

  • 10. April 2016 at 02:11
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    Ja, ich habe auch schon mit leichter Sprache zu tun gehabt – und finde, dass dies ein völlig falscher Weg ist. Wir leben in einer Welt, die immer komplizierter wird und der es immer wichtiger ist, auf der Ebene von Sachkenntnis zu den Dingen Stellung zu beziehen. Leichte Sprache hilft dabei gewiss nicht, sondern mehr und besserer Deutschunterricht.

    Wer in Deutschland lebt, muss Deutsch sprechen (und schreiben) können – und zwar so schnell, so gut und so umfassend wie möglich. Und es ist die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen: in der Schule geht das durch kleinere Klassen, Sonder-, Stütz- und Förderkurse für Kinder und Jugendliche, die eben nicht aus dem Bildungsbürgertum stammen. Bei Asylbewerbern erreichen wir das durch umfassende und differenzierte Sprachkurs-Angebote, die zielgenau auf die Voraussetzungen der Migranten zugeschnitten sind. Ein ausgebildeter Arzt mit Berufserfahrung aus Syrien benötigt ein anderes Angebot als ein Maurer aus Afghanistan. Beide Berufsgruppen übrigens fehlen in Deutschland: Die Baubranche sucht Facharbeiter und im ländlichen, dünnbesiedelten Raum besteht schon jetzt eine ärztliche Unterversorgung. Sie wird mit jedem niedergelassenen Arzt, der in den Altersruhestand geht und keinen Nachfolger findet, größer.

    Natürlich gibt es Ausnahmen, die aber bitte auf den Bereich beschränkt bleiben, in dem sie unvermeidbar sind. Selbstverständlich muss es eine einfache Sprache beim Umgang mit geistig behinderten Menschen geben – aber warum darüber hinaus? Das andere Extrem ist die Sprache der (Natur)Wissenschaft an Universitäten: Ein Fach wie Physik wird auch an deutschen Universitäten auf Englisch gelehrt, sobald ausländische Studenten ohne (noch nicht) ausreichende Deutschkenntnisse im Seminar sitzen. Dann müssen die deutschen Physikstudenten Englisch lernen – und das ist richtig so, weil es ihrer Arbeitsmarktchancen nach dem Studium erhöht!

    In einer globalisierten Welt mit großen Migrationsbewegungen ist jeder Staat verpflichtet, ausreichend Kurse in der Landessprache anzubieten. Das gelingt gewiss nicht auf folgende Weise: Jemand in Deutschland besitzt die Voraussetzungen für das Fach “Deutsch für Ausländer”, bewirbt sich und bekommt dann die Auskunft: Ja, gerne – aber nur ehrenamtlich ohne Bezahlung.

    Ich bin weit entfernt von Deutschtümelei: Aber ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland kann es nur für Asylbewerber geben, die deutlich dokumentieren, dass sie intensiv Deutsch lernen: Nur so werden sie zu Menschen, die sich aktiv an gesellschaftlichen Prozessen beteiligen – nicht durch einfache Sprache. Besonders radikal praktiziert das übrigens der Staat Israel: Jeder Einwanderer wird “knallhart rangenommen”, schleunigst das moderne Hebräisch zu lernen, neben Arabisch die offizielle Landessprache Israels. Dafür gibt es ausreichend Sprachkurse – anders als in Deutschland. Die Israelis wissen, dass einfache Sprache Bildungsschranken sowie gesellschaftliche Probleme schafft – und nicht etwa löst.

    Gruß in die Content-Runde von
    Peter Umlauf

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