Rund ums „und“ mit und ohne Komma

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Dieser Satz aus Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ ist bekannt genug, um sich als Merksatz für eine nicht sehr beliebte Regel der Kommasetzung zu eignen. Diese Regel betrifft den Anschluss von Nebensätzen in Satzgefügen mit „und“. Was gibt es dabei zu beachten?

Die Hauptregel

Viele werden sich daran erinnern, dass Nebensätze – und damit auch Relativsätze – immer mit Komma vom Hauptsatz abgetrennt werden (siehe Komma zwischen „inne“ und „der“).

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wer diese Regel kennt und anwenden kann, kommt schon ganz gut zurecht. Diese Kommaregel gilt übrigens auch in Überschriften, die keine vollständigen Sätze beinhalten („Der Spion, der aus der Kälte kam“). In einem vollständigen Satz müsste auch nach dem Relativsatz noch ein Komma stehen (z. B. „Der Spion, der aus der Kälte kam, wurde verhaftet.“)

Und … jetzt kommt’s!

Probleme tauchen häufig auf, wenn der Satz nach dem Nebensatz mit „und“ weitergehen soll. In manchen Fällen steht vor dem „und“ ein Komma, in manchen nicht. Um es gleich zu sagen: Das Fehlen dieses Kommas im Hesse-Text ist auch nach den neuen Regeln für die Kommasetzung korrekt. Aber warum?

Dafür ist keine Extra-Regel notwendig. Das erste Komma reicht aus, um gemäß der oben genannten Bestimmung beide Nebensätze zusammen vom Hauptsatz abzutrennen. Diese Vorgehensweise ist uns aus der Mathematik bekannt – Zusammengehöriges wird eingeklammert. Natürlich gehört in diesem Satz alles zusammen, aber zusätzlich zum Sinnzusammenhang verbindet die beiden Relativsätze ihre Struktur: das Relativpronomen am Anfang und die typische Nebensatzstellung mit Verb am Ende („der uns beschützt“, „der uns hilft“). Merken wir beim Lesen, dass vor dem „und“ kein Komma steht, so wissen wir: das unmittelbar Nachfolgende ist ein weiterer Nebensatz und hängt somit wie der erste vom Hauptsatz ab (Ähnlich: „Der Spion, der aus der Kälte kam und dem ein Arm fehlt, wurde verhaftet“). Geht der Hauptsatz nach dem letzten Nebensatz weiter, so ist er wie im genannten Beispiel mit einem weiteren Komma vom Nebensatz zu trennen.

Bei anderen Typen von Nebensätzen wird analog vorgegangen:

  • Er verschwendete keinen Gedanken daran, dass seine Frau nicht zu Hause war und dass sie ihn betrog.
  • Er verschwendete daran, dass seine Frau nicht zu Hause war, keinen Gedanken.
  • Er verschwendete daran, dass seine Frau nicht zu Hause war und dass sie ihn betrog, keinen Gedanken.

Das betrifft auch Satzgefüge, in denen verschiedene Nebensatztypen kombiniert werden:

Die Polizei hielt die Mail mit Informationen darüber, wie die Zielperson hieß, unter Verschluss.

Die Polizei hielt die Mail mit Informationen darüber, wie die Zielperson hieß und wo sie sich aktuell aufhielt, unter Verschluss.

Nach dem „und“

Aber was ist nun mit Sätzen, in denen auf einen Nebensatz ein durch Komma davon getrenntes „und“ folgt? Kann nach einem solchen „und“ auch ein Nebensatz stehen?

Ja, dies ist möglich, und zwar dann, wenn sich ein neues Satzgefüge anschließt, das mit einem Nebensatz beginnt. Ein Beispiel:

Er wusste nicht, wo er war, und dass er seine Mütze verloren hatte, war ihm auch noch nicht aufgefallen.

Das „und“ verknüpft die beiden Satzgefüge miteinander.

 

Lautete das Beispiel von Hesse

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt, und hilft uns, zu leben,

dann enthielte er nur einen Relativsatz zwischen zwei Hauptsätzen (Die Hauptsätze sind an der Wortstellung erkennbar; das Verb steht hier nicht in Endstellung.) Das „und“ verknüpft in diesem Fall nicht Nebensatz und Hauptsatz, sondern die beiden Hauptsätze miteinander. Man könnte „der uns beschützt“ mitsamt den Kommata hier problemlos weglassen. Tut man dies hingegen beim Originalsatz, so kommt ein grammatikalisch falsches Gebilde heraus:

*Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne und der uns hilft, zu leben.

 

Hesse hat sich spätestens jetzt schon mehrfach im Grab umgedreht. Aber ein viel zitierter Satz bietet sich nun mal als Merksatz an. John le Carré wird sich auch nicht wiederfinden. Sorry about that.

Fazit

Für den Schreibvorgang kann man sich für die richtige Kommasetzung rund ums „und“ merken:

  • Nebensätze werden mit Komma vom Rest des Satzes abgetrennt.
  • Insbesondere ist nach einem Nebensatz ein Komma einzufügen, wenn der Hauptsatz nach dem „und“ weitergeht oder ein neuer beginnt.
  • Wird dem Nebensatz ein weiterer mit „und“ angehängt, so steht vor dem „und“ kein Komma.

„Aber im zitierten Satz von Hesse befindet sich ja noch ein weiteres Komma“, werden Sie vermutlich anmerken. Was hat es damit auf sich? Ist das nach der neuen Rechtschreibung noch richtig? Das Komma vor Infinitivgruppen ist ein eigenes Thema. Ganz Allgemeines dazu finden Sie im Blogbeitrag zum Thema Kommasetzung.

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One thought on “Rund ums „und“ mit und ohne Komma

  • 5. Februar 2018 at 11:26
    Permalink

    Dankeschön für die aufwändige Arbeit, uns das kleine aber wichtige Komma näher zu bringen. Wieder sehr genussreich zu lesen! Gruß, Bea

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