Diese Kurzgeschichte wurde von Autorin DieBrave eingereicht:
Puschel hat verschlafen
Die Sonne scheint auf Puschels Bau. Schon eine ganze Woche lang strahlt sie über ihr Gesicht. Der meterhohe Schnee vor dem Haus und das Eis auf dem kleinen Teich beginnen zu tauen.
Dem Schneemann vor Puschels Bau rutscht der Hut schief ins Gesicht.
An den Tagen ist es nun wieder länger hell und die Menschen werden fröhlicher.
Das Gebimmel von den Schneeglöckchen wird immer lauter.
Es ist genau so, wie immer und wie es zur Osterzeit nun einmal sein muss.
Nun jedenfalls pochen die Tropfen vom Schneewasser auf Puschels Fenstersims. Tropf, tropf, tropf …
Puschel liegt noch ganz verschlafen in seinem warmen, weichen Bett. Ein Sonnenstrahl fällt durch das Fenster und kitzelt ihn an seiner Nase.
Hatschie, Puschel muß niesen.
„Ist denn schon wieder Ostern?“
Da eben klopft es an seiner Tür.
„Wer ist denn da?“, rief Puschel, sprang sogleich aus dem Möhrenkistenbett und suchte ganz nebenbei seine alten, abgelatschten Hauspantoffeln.
„Ich bin es!“
Puschel schaut verdutzt durch das Schlüsselloch. Kikerlorus, der bunte Hahn vom Misthaufen, stand vor der Tür.
Puschel zuckte zusammen, öffnet die Tür und starrte den Gockel erschrocken an.
„Wie lange dauert es denn noch?“ fragte er und nahm ihm den Korb mit den weißen Hühnereiern ab. „Dreizehn Tage.“ „Oder so, vielleicht auch nicht …!“
Puschel kratzt sich an seinen langen Ohren. „Dreizehn Tage, das ist noch lange hin! Mindestens vierundzwanzigeinhalb Stunden.“
Das ist mächtig viel Zeit. Viel Zeit zum Eier bemalen und verstecken. Irgendwo müssen noch aus dem vorigen Jahr die Pläne für die Verstecke herum liegen.
Puschel braucht nur mit seinen alten abgelatschten Hauspantoffeln nebenan in seine Hasenwerkstatt hinüber schlurksen.
Kikerlorus argwöhnt alles sehr skeptisch. Bei dem Tempo sind die Ostereier zu Weihnachten noch nicht versteckt. Und schon schießt ihm die Frage durch seinen Kopf und zu seinem Schnabel hinaus: “Warum können wir nicht Ostern und Weihnachten an einen Tag feiern? Ostereier am Weihnachtsbaum, das wäre doch mal was anderes!“
Puschel verdreht seine Augen, beantwortet nicht die Frage und öffnet die Tür zu seiner Eierwerkstatt. Puschel sieht nichts, es ist noch dunkel. Komisch. Im vergangenen Jahr hatte doch Puschel einen Mechanismus in die Tür eingebaut, damit die Fensterläden von alleine aufspringen und er keine Lampe einschalten muss. „Da muss ich es eben wieder von Hand erledigen, auch nicht weiter schlimm!“ Kikerlorus schreit: “Warte, ehe ein Unglück passiert, ich helfe dir schon … Pass auf die …“ Und da ist es auch schon geschehen. „Die schönen Eier!“ Kikerlorus seufzt hörbar.
„Meinen Hennen haben sich Mühe gegeben und nun?“ „Machen wir eben Rühreier davon.“, bemerkte Puschel. „Nee, nee, du, schau dir mal die Sauerei an!“ Kikerlorus öffnete die Fensterläden. Oh weh. Das sah ja tatsächlich schlimm aus. Puschel hatte im letzten Jahr nicht aufgeräumt. Nun klebte er mit seinen Pfoten in den Farbeimern, sein Fell war mit Eigelb verschmiert und verklebt, die Hauspantienen hingen an der Lampe, sein Handwerkzeug war auf dem Boden verstreut und bis Ostern nur ein wenig mehr Zeit wie vierundzwanzigeinhalb Stunden. „Ich hole mal frische Eier“ krähte Kikerlorus und entschwand dem Kuddelmuddel. Puschel unterdessen versuchte aus den eingetrockneten Farbeimern zu steigen und verzierte den Boden mit bunten Fußtapsen. Schnurstracks nahm er Anlauf unter die Gießkannendusche und Puschel konnte wieder klar überlegen. Ein neue Frage trat in seine Osterhasenwerkstattgedankenwelt ein: wo bekomme ich ganz schnell wieder frische Farbe her? Und an der Uhr waren die Zeiger schon wieder eine viertel Stunde und zwei Minuten weiter gerückt. Am Besten ich nehme einen langen Faden und binde sie fest, dann ist genug Zeit. Malermeister Klecksel hat heute, zum Karfreitag, sowieso sein Geschäft geschlossen und Puschel kann keine neuen Farben kaufen. „Wie soll ich das alles schaffen?“ Puschel nahm in großen Verzweiflung den Hörer von seinem Schwatzophon in die Hand und wählte mehrmals die Nummer der Schokoladenfabrik. Das war eine Möglichkeit Ostern zu retten. Nicht die beste, aber immerhin, Schokoladeneier sind auch etwas Feines. „Tüt tüt tüt …“, das war der Dauerbesetzeichenton. „Tüt tüt tüt“, äffte Puschel nach. „Da wird es auch nichts mit den Schokoladeneiern. Mist!“ und öffnete das Werkstattfenster, um wenigstens frische Luft zu bekommen.
Kikerlorus kam mit einem großen Korb frischer Eier schwungvoll in die Werkstatt herein. Weiß und braun waren sie.
Mit dem kurzen kräftigen Lufthauch wehte es ebenfalls eine Gänsefeder herein.
„Das ist die Lösung!“, krähte Kikerlorus zum Fenster in die Welt hinaus. „Wieso?“, krähte Puschel nach. „Wir nehmen die Feder, spitzen sie an und kratzen Muster in die braunen Eier hinein.“ „Die Idee ist gut!“ Die Idee war nicht nur genial, sondern DIE Lösung.
Sie machten sich an die Arbeit.
Unterdessen klopft es wieder an der Tür.
„Warum kann ich meine Arbeit nicht erledigen, ich habe nur noch dreiundzwanzigdreiviertel Stunden Zeit…!“ schimpfte Puschel und schlurkste in seinen alten, abgelatschten Hauspantoffeln abermals zur Tür.
Ein Eisennagel und seine Freunde, die Petersilie und die Karotte stand vor seinem Eingang.
„Wir haben durchs offene Fenster deinen Schimpfen gehört. Wir wollen dir helfen!“ Und schon standen sie mitten in der Werkstatt. Puschel war verdutzt. „Na los, hole große Töpfe und heißes, kochendes Wasser dazu. Aber pass auf, verbrühe dich nicht!“ Kikerlorus schlug mit seinen Flügeln und flatterte freudig umher. Die Petersilie und die Karotte hüpften ins Wasser. Eine gelbe und eine grüne Farbbrühe entstand. „Und was soll der Eisennagel?“ „Wenn du mich auch hinein wirfst, dann werden die Farben dunkler.“ Puschels Augen leuchteten. So schöne Farben hatte er noch nie. Und schon wieder klopfte es an seiner Tür. Inzwischen hüpften die Eier von alleine in den Farbsud und wieder farbenfroh heraus. Ein Rotkohl und viele Holunderbeeren, Zwiebeln und Kamillenblüten wollten eingelassen werden. „Wir wollen auch helfen. Wo stehen die Töpfe?“
Nun konnte Puschel nicht nur grüne und gelbe Eier färben, auch rote und blaue.
Von irgend woher kam dann zur späten Stunden noch einen Speckschwarte angelaufen.
Das war ein glänzender Augenblick und die Osterherrlichkeiten wurden damit abgerieben.
„Geschafft“ meinte Kikerlorus. „Ich bin auch fix und fertig“ sagte Puschel am Abend, „aber ich räume noch auf!“
Sie erledigten es gemeinsam und nach getaner Arbeit freuten sie sich über die vielen bunten, glänzenden Ostereier, tranken einen Eierlikör und meinten schmunzelnd: „in diesem Jahr haben wir überhaupt keinen Stress gehabt!“, banden den Faden von den Uhrenzeigern wieder los und waren zufrieden.
Und am nächsten Tag läuteten die Schneeglöckchen, die Märzenbecher und die Osterglocken fröhlich das Osterfest ein. Es ist genau so, wie immer und wie es zur Osterzeit nun einmal sein muss.