Beitragsreihe Crowdfunding – Teil 1: Prinzip, Möglichkeiten und Erfolgsaussichten für Autoren

Indie-Publishing bzw. Self-Publishing ist eines der wichtigsten Schlagwörter auf dem heutigen Buchmarkt – es entscheidet nicht mehr zwangsläufig die Qualitätskontrolle eines Verlags darüber, ob ein Buch auf den Markt kommt oder nicht, denn theoretisch kann jeder Autor sein Werk in Eigenregie veröffentlichen. Ob sich die Mühe und gegebenenfalls Investitionen aus wirtschaftlicher Sicht lohnen, ist jedoch die andere Frage. Die Vermarktung des Buches nimmt ebenso viel Zeit ein wie das Schreiben, und auch in ein professionelles Layout, Lektorat und Korrektorat müssen Autoren meist investieren. Wenn eine Auflage des Buches gedruckt werden soll, entstehen ebenfalls Kosten. Eine Möglichkeit, das Projekt mithilfe von Unterstützern zu realisieren, bietet das Prinzip des Crowdfunding: Erst wenn sich genügend Abnehmer für das Produkt gefunden haben, werden Investitionen getätigt.

Das Prinzip von Crowdfunding

Im Gegensatz zum auftragsbasierten Crowdworking, bietet das Prinzip des Crowdfunding Kreativschaffenden den finanziellen Spielraum zur Selbstverwirklichung eigener Ideen. Wenn sich Interessenten für das zu fördernde Projekt finden, unterstützen sie es durch einen Geldbetrag und erhalten dafür eine Gegenleistung – zum Beispiel in Form einer Ausgabe des fertigen Produkts. Die Realisierung eines Projekts erfolgt also nur, wenn vorab schon Abnehmer/Unterstützer vorhanden sind, sodass keine finanziellen Risiken durch Vorkasse eingegangen werden müssen.

Grundsätzlich eignet sich Crowdfunding für verschiedenste Vorhaben – von sozialen Projekten, über Start-ups bis hin zu Filmen und technischen Produkten. Crowdfunding-Plattformen richten sich an Künstler, Kreative, Erfinder oder Gründer mit verschiedensten Hintergründen und Ideen. Vor allem für Projekte, die relativ hohe Investitionen erfordern, kann Crowdfunding eine ausgezeichnete Alternative zu herkömmlichen Finanzierungsmodellen sein. Doch auch vermeintlich kleine Projekte wie Bücher und Magazine sind bereits auf eine große Fangemeinde mit vielen Unterstützern getroffen.

Crowdfunding-Möglichkeiten für Autoren: ein Überblick

Für Autoren gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten, um ein Buch mithilfe von Crowdfunding zu realisieren:

  • Einstellung des Projekts auf allgemeinen Crowdfunding-Plattformen, Fundingziel ist die benötigte Geldsumme für den Selbstverlag
  • Einstellung des Projekts auf einer speziellen Bücher-Crowdfunding-Seite, Fundingziel sind Verlagsdienstleistungen
  • Einreichung des Manuskripts bei einem Crowdpublisher (Verlag), der Bücher zunächst selbst selektiert und potentiell erfolgreiche Titel anschließend mithilfe der Crowd vorfinanziert

1. Funding der benötigten Summe für den Selbstverlag

Um ein Buch im Selbstverlag über Crowdfunding zu finanzieren, können Autoren sich an eine der allgemeinen Crowdfunding-Plattformen wie Startnext.de oder VisionBakery.de richten. Hier lässt sich das Projekt auf einer eigenen Unterseite ausführlich beschreiben und an mögliche Unterstützer verbreiten. Fans können es dann direkt über die Plattform finanziell unterstützen und erhalten dafür – je nach Höhe des Beitrags – eine Gegenleistung: z. B. für 15 Euro Unterstützung das E-Book, für 25 Euro das gedruckte Buch, für 1000 Euro eine private Lesung. Kommt die benötigte Summe zusammen, erhält der Autor das Geld zur Finanzierung des Projekts und zahlt dafür eine Provision an die Plattform. Wenn nicht, erhalten die Unterstützer ihr Geld zurück, Kosten entstehen dann nicht.

2. Funding der Verlagsdienstleistungen

www.100fans.de

Die bisher einzige Crowdfunding-Seite speziell für Bücher ist die Seite 100fans.de, die von der Münchner Verlagsgruppe betrieben wird. Finden sich genügend Unterstützer, übernimmt 100fans alle Verlagsdienstleistungen und veröffentlicht das Buch nach Fertigstellung. Als Gegenleistungen erhalten die Unterstützer wie auf den allgemeinen Crowdfunding-Seiten eine Ausgabe des Buches, für einen höheren Beitrag ist auch eine Lesung des Autors als Gegenleistung möglich. Eingereicht werden kann hier jedes Buch, das den allgemeinen Richtlinien des Verlags (https://100fans.de/handbuch/) entspricht. Die Zielgruppe übernimmt im Prinzip die Selektion für den Verlag – was auf Fans trifft, wird herausgegeben.

3. Mischformen: Crowdfunding-Verlage

Sogenannte Crowdpublisher oder Crowdfunding-Verlage wie der kladde|buchverlag oder Nextbookup nutzen die Unterstützung der Zielgruppe bereits, um eine erste Auflage eines Buches ihrer Autoren vorfinanzieren zu können. Autoren reichen ihr Manuskript bei dem Verlag ein und lassen es prüfen. Sieht der Verlag Potential, stellt er das Buch auf einer der Crowdfunding-Plattformen ein und verlegt es, wenn die nötige Summe für die vorab berechneten Verlagsdienstleistungen von Unterstützern zusammengekommen ist. Anders als bei klassischen Verlagen haben Autoren hier auch mit Nischen-Büchern Chancen, da für Crowdpublisher ein weitaus geringeres Investitionsrisiko besteht.

Wie genau der Ablauf auf den einzelnen Plattformen bzw. über Verlage funktioniert, wird in Teil 2 und 3 dieser Reihe ausführlich erklärt. Zunächst jedoch zeigen sechs Beispiele Buch-Projekte verschiedener Genres, die durch Crowdfunding realisiert werden konnten – und was möglicherweise ausschlaggebend für den Erfolg der Projekte war.

Sechs Beispiele für erfolgreiche Crowdfunding-Buchprojekte

www.startnext.com | DIY-Möbel

1. „Hartz 4 Möbel“: Bauanleitungen für Hocker, Stühle und mehr zu günstigen Preisen

Der Diplom-Ingenieur und Architekt Van Bo Le-Mentzel finanzierte 2012 über Crowdfunding sein Buch „Hartz 4 Möbel“ in Eigenregie. Die Bauanleitungen für Hocker, Stühle, Regalsysteme, Lampen und weitere Möbel für Menschen mit wenig Geld wurden mit über 13.000 Euro von 354 Unterstützern auf der allgemeinen Crowdfunding-Plattform Startnext.de finanziert. Die Unterstützer konnten einen symbolischen Spendenbeitrag, Beträge für eine Version des Buches, aber auch höhere Beträge für eine persönliche Wohnungsberatung und Interieur-Tipps zusteuern. Benötigt wurden 5.000 Euro für Druck und Versand des Buches, bei Überfinanzierung sollte zudem Geld in Holz für Bauwillige, die sich das Material nicht leisten können, fließen.

2. „36 Jahre SO36“: Chronik eines legendären Clubs

Mit 26.474 Euro wurde 2014 ein Buch plus DVD mit Zusatzmaterial über den Berliner Club SO36 finanziert. Anlässlich des 36. Geburtstags des SO36 wollten die Projektinitiatoren ein Buch mit vielen Fotos, Anekdoten und „der ultimativen wahren Chronik“ herausbringen. Die Initiatoren sind in diesem Fall ein Zusammenschluss aus den Betreibern des SO36, einem kleinen Verlag und weiteren involvierten Personen. Das Geld wurde für den Druck und die Pressung der DVD sowie eine Aufwandsentschädigung für Fotografen und sonstige Beteiligte benötigt. Die Höhe der Endsumme bestimmte auch, wie aufwendig das Buch gestaltet werden konnte: Zielsetzung war eine Summe zwischen 25.000 Euro (Fundingschwelle zur Gestaltung einer weniger umfangreichen Ausgabe) und 35.000 Euro (Zielsumme für eine hochwertigere Ausgabe). Die Unterstützer des Projekts konnten neben einer Ausgabe des Buches auch Tour-Plakate, Band-Buttons, Shirts und Ähnliches aus dem Archiv des SO36 sowie Produkte von „Freunden des Clubs“, wie Inhabern kleiner Läden und Labels, als Gegenleistung erstehen. Das Projekt Club SO36 wurde auf Startnext.de realisiert.

3. „Mio und Freda“: ein Kinderbuch mit modernen Familienkonstellationen

www.startnext.com | realisierte Projekte

„Mio und Freda erleben ihr erstes gemeinsames Abenteuer auf dem Bauernhof. Mama und Mami sind auch dabei.“ So lautete die Beschreibung der beiden Autorinnen, die das Buch in Eigenregie verlegen. Die Motivation dahinter war, ein Buch zu publizieren, mit dem Kinder, die nicht in der klassischen Familien-Konstellation „Mutter-Vater-Kind“ groß werden, sich identifizieren können. 10.000 Euro wurden für Druck und Vertrieb benötigt, finanziert wurde es 2016 mit 13.222 Euro von über 300 Unterstützern. Das übrige Geld wird in das nächste Buch der Reihe „Mio und Freda“ investiert. Als Gegenleistungen erhielten die Unterstützer beispielsweise Postkarten mit Illustrationen zum Buch, eine Ausgabe des E-Books, des gedruckten Buches oder das gedruckte Buch plus Stoffbeutel.

4. „Einmal Sydney und zurück“: Roman einer Reisenden

Einmal Sydney und zurück ist eine Geschichte über den ganz normalen Wahnsinn Down Under und die Suche nach dem, was man selbst im Paradies nicht zu finden scheint“, so die Beschreibung der Autorin, die selbst dorthin reiste. Der Roman wurde mithilfe der Bücher-Crowdfunding-Seite 100fans.de realisiert. Das Buch wurde als E-Book und/oder gedruckte Ausgabe von mehr als 100 Unterstützern vorbestellt, sodass die Autorin von 100fans.de die Verlagsdienstleistungen für Ihr Buch erhielt. In der Beschreibung der Autorin sind keine weiteren Projekte genannt – es ist also davon auszugehen, dass es sich um eine Debütautorin handelt.

5. „Alltagstourist“: außergewöhnliches Buch in hochwertigem Design

Das Buch „Alltagstourist“ wurde von einer Texterin und Kommunikations-Designerin gestaltet und auf Startnext.de eingestellt. Es richtet sich an „Menschen, die sich an Design, Fotografie, guten Texten, Witzigem, Tiefgründigem und guten Fragen erfreuen“. Leser sollen mithilfe des Buchs das Besondere und den tieferen Sinn an unscheinbaren Orten entdecken. Für eine hochwertige Printausgabe wurden 20.000 Euro benötigt, realisiert wurde das Projekt schließlich mit 25.177 € von über 500 Unterstützern. Diese erhielten als Gegenleistungen z. B. die Print-Ausgabe des Buchs, eine Print-Ausgabe plus Gimmick und größere Pakete für einen entsprechend höheren Betrag

www.visionbakery.com

6. „Codename: DEREC“: Jugendroman/Romantik-Thriller

Das Buch „Codename: DEREC“ der Jungautorin Franziska K. Hahn wurde vom kladde|buchverlag, einem Crowdfunding-Buchverlag, über die allgemeine Crowdfunding-Plattform VisionBakery.de realisiert. Gesammelt wurden über 3.000 Euro von mehr als 50 Unterstützern, sodass Lektorat, Satz und Gestaltung der E-Book-Ausgabe finanziert werden konnten. Das Projekt wurde mit mehreren Schwellensummen eingestellt – wäre eine Summe von 8253 Euro zusammengekommen, hätte der Verlag zusätzlich eine broschierte Taschenbuchausgabe realisiert; bei 14.350 Euro wäre das Buch in einer hochwertigen Ausgabe der offiziellen Reihe „kladde“ erschienen. Als Gegenleistungen erhielten die Unterstützer z. B. das E-Book (bei erfolgreichem Funding einer höheren Summe zusätzlich das gedruckte Buch), auch Buchhüllen des Verlags und Pakete mit weiteren Büchern des Verlags konnten ausgewählt werden.

Fazit: Welche Buch-Projekte eignen sich für Crowdfunding?

Generell eignen sich Ratgeber, Dokus oder Bildbände besser für Crowdfunding als fiktive Literatur, da sie greifbarer sind und spezielle Interessengebiete angesprochen werden. Die Basis eines erfolgreichen Projekts ist eine große Zahl an Unterstützern – und es ist leichter, Interessenten vom Nutzen eines Ratgebers zu überzeugen, als von der Qualität oder Besonderheit eines Romans. Erfolgreich durch Crowdfunding finanzierte Buchprojekte sind darum häufig Ratgeber, Sachbücher und Dokumentationen, die im besten Fall einen hohen Neuigkeitswert und Nutzen (Beispiel „Hartz 4 Möbel“) oder eine klare Liebhaber-Zielgruppe, wie im Beispiel „36 Jahre SO36“, haben.

Auch einige Kinderbücher wurden bereits erfolgreich über Crowdfunding finanziert – im oben genannten Beispiel „Mio und Freda“ zeichnet sich das Kinderbuch durch eine klassische Kindergeschichte in der modernen Familienkonstellation Mutter-Mutter-Kind aus und füllt damit eine Lücke im Kinderbuchsektor.

Dass außergewöhnliche Ideen bei Crowdfundern gut ankommen, zeigt das Beispiel „Alltagstourist“: Auch wenn sich der (genaue) Inhalt des Buchs nicht direkt erschließt, sprach die Idee und Beschreibung mehr als 500 Unterstützer an. Ein wichtiger Aspekt ist hier sicher auch der Fokus auf eine sehr wertige Gestaltung und Produktion, die sich vom „einfachen“ E-Book distanziert.

Bücher aus der Belletristik, wie Krimi und Roman, bilden auf allgemeinen Crowdfunding-Plattformen die kleinere Sparte, können jedoch ebenfalls erfolgreich sein, wie das Beispiel „Codename DEREC“ einer Debütautorin zeigt. Zwar kam hier nur eine vergleichsweise geringe Fundingsumme zusammen, für die Realisierung des E-Books war diese jedoch ausreichend. Bei Romanen, Krimis und ähnlichen Genres sind Fortsetzungen oder Projekte von bekannten Autoren natürlich einfacher zu realisieren, da hier schon eine Fangemeinde besteht. Zudem scheint die Erfolgswahrscheinlichkeit von Belletristik-Projekten höher, wenn sie über einen Verlag auf der Crowdfunding-Plattform eingestellt werden: Auf der kleineren Plattform VisionBakery beispielsweise wurden sieben der zehn erfolgreichen Projekte von einem Verlag initiiert.

Der Roman Einmal Sydney und zurück” wurde von der Autorin selbst eingereicht, ist jedoch auch zu einem großen Teil inspiriert von ihrer eigenen Reise, sodass man von einer authentischen Geschichte ausgehen kann. Es richtete sich „an alle, die nicht genug von Australien kriegen können und heimlich davon träumen, hier zu leben. Oder all diejenigen, die vielleicht bald nach Australien reisen werden und dieses Buch von ihren Freunden als Abschiedsgeschenk in die Hände gedrückt bekommen.“ Damit spricht die Autorin eine spezielle Zielgruppe an, mit der sie vermutlich auch direkt verbunden ist.

Ausblick auf Teil zwei und drei der Beitragsreihe Crowdfunding

Erfolgreiche Buchprojekte können also verschiedenster Art sein – müssen aber zu überzeugen wissen und die passende Zielgruppe erreichen. Welche Form des Crowdfunding und welche Plattform die höchsten Erfolgschancen bieten, ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. In Teil zwei und drei dieser Reihe werden die einzelnen Plattformen und die Vorgehensweise darum ausführlich vorgestellt.

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