Teil 2 Crowdfunding für die benötigte Geldsumme – mögliche Plattformen und Ablauf des Projekts

Das Buch ist fast fertig geschrieben, ein Lektor und eine Druckerei sind gefunden, Grafiker und Schriftsetzer sitzen in den Startlöchern. Was Self-Publishern jetzt häufig fehlt, ist das Geld für Investitionen in weitere Dienstleistungen zur Fertigstellung des Buches. In Teil zwei dieser Reihe geht es um Crowdfunding für eine vorab festgelegte Summe, mit der ein Autor die Finanzierung dieser Dienstleistungen realisieren kann. Wer ein Buch selbst verlegen will, sollte aufmerksam weiterlesen. 

Allgemeine Crowdfunding-Plattformen im Überblick

Um ein Buch im Selbstverlag über Crowdfunding zu finanzieren, können Autoren sich an eine der allgemeinen Crowdfunding-Plattformen wie Startnext, VisionBakery, Kickstarter und Indiegogo richten: Diese bieten Kreativen, Erfindern oder Unternehmern, die Möglichkeit, ihr Projekt auf der Plattform der „Crowd“ – also prinzipiell jedem Internetnutzer – vorstellen zu können. Wenn sich Interessierte für das Projekt finden, können sie es mit einem finanziellen Betrag unterstützen; dafür erhalten sie eine vorab festgelegte Gegenleistung. Die vier großen allgemeinen Crowdfunding-Plattformen unterscheiden sich bezüglich ihrer Reichweite und Zielgruppe, aber auch hinsichtlich der Erfolgsrate der einzelnen Projekte sowie der angebotenen Dienstleistungen und Provisionsgebühren bei erfolgreicher Finanzierung:

Startnext:

Die mit ca. 90 % Marktanteil größte Crowdfunding-Plattform in Deutschland ist das 2010 gegründete Unternehmen Startnext.de. Über 4000 Projekte wurden hier bereits mit insgesamt mehr als 35 Mio. Euro von Unterstützern finanziert. Bücher bilden dabei nach Musik- und Theaterprojekten die dritthäufigste Sparte. Insgesamt konnten auf Startnext bereits 248 Buchprojekte (von 531 eingestellten Buchprojekten) durch Crowdfunding vorfinanziert werden, was einer Erfolgsquote von fast 50 % entspricht. Auch die meisten der in Teil 1 aufgeführten Projekte wurden auf dieser Plattform realisiert. Startnext bietet eine umfassende Beratung und berechnet vergleichsweise geringe Kosten für die Dienstleistungen: Bei erfolgreichem Funding fällt eine freiwillige Provision für das Unternehmen von mindestens 1 % plus 4 % Transaktionskosten an. Persönliche Projektbetreuer geben jedem Projektstarter Feedback zu der Projektseite und Kampagne; Starter, die mehr Hilfe benötigen, können zusätzliche Leistungen buchen.

VisionBakery:

Die mit 5 % Marktanteil zweitgrößte deutsche Plattform für Crowdfunding ist das 2011 gegründete Unternehmen VisionBakery. Die größten Sparten bilden soziale Projekte, Musik, Film & Video, Veranstaltungen und Kunst. Auch VisionBakery bietet persönliche Betreuung und Support an, berechnet bei erfolgreichem Funding jedoch vergleichsweise hohe Kosten: 10 % der gesammelten Summe für die Dienstleistung und 1,9 % für Transaktionskosten. Auf VisionBakery erreichten 10 von 26 eingestellten Buchprojekten die benötigte Fundingsumme. Erfolgreich waren jedoch meist Bücher, die von einem Crowdpublisher, also von einem Verlag und nicht von einer Privatperson, eingestellt wurden – auf diese Form von Crowdfunding wird in Teil 3 genauer eingegangen.

Kickstarter:

Die amerikanische Plattform Kickstarter ist mit mehr als 115.000 Projekten, in die über 2,7 Mrd. US-Dollar investiert wurden, eine der weltweit größten Crowdfunding-Plattformen und deutlich größer als die deutschen Plattformen. Einzelne Projekte haben jedoch eine geringere Erfolgsquote als auf den deutschen Plattformen, da sie schneller in der Masse untergehen. Kickstarter beschränkt sich auf kreative Projekte und erlaubt nur englische Projektbeschreibungen – für deutsche Literaturprojekte ist Kickstarter darum weiniger geeignet. Bei erfolgreichem Funding werden 5 % der Summe für die Dienstleistung und 3-5 % für Transaktionskosten berechnet. Auf Kickstarter wurden bisher 245 Literaturprojekte aus Deutschland eingestellt, mit mehr als 100 % der benötigten Summe finanziert werden konnten 58 Projekte.

Indiegogo:

Die weltweit größte Crowdfunding-Plattform für Start-ups, kreative und gemeinnützige Projekte ist nach eigenen Angaben die 2008 gegründete Website Indiegogo. Auf der Seite wurden bisher mehr als 275.000 Kampagnen gestartet, genaue Erfolgszahlen lassen sich jedoch nicht auffinden. Indiegogo versteht sich als All-in-one-Plattform, die einen umfassenden Support und Analyse-Tools bietet – von der Idee bis zur Marktreife. Bei erfolgreichem Funding werden auch hier 5 % für die Dienstleistung und 3-5 % für Transaktionskosten berechnet. Projektbeschreibungen lassen sich international einstellen, ca. 30 % der Projekte sind nicht aus den USA. Wie viele Buchprojekte bisher erfolgreich waren, lässt sich auf Indiegogo nicht einsehen.

Zusammenfassung: Vergleich der Crowdfunding-Plattformen für Buchprojekte

Für kleinere Projekte wie Bücher, die zudem eine deutschsprachige Zielgruppe ansprechen, bieten sich als allgemeine Plattformen eher Startnext und VisionBakery an als die großen amerikanischen Plattformen. Sowohl die Zielgruppe als auch die Erfolgschancen sprechen dafür: Zwar haben die amerikanischen Unternehmen eine höhere Reichweite, dafür sind die Projekte auf den kleineren Plattformen besser sichtbar, da weniger parallel läuft. Für die Gesamtheit der eingestellten Projekte können die vergleichsweise kleinen deutschen Plattformen eine weit höhere Erfolgsquote aufweisen, was sich auch in einer aktuellen Studie zur Crowdfinanzierung in Deutschland zeigt.

 

Ablauf eines Crowdfunding-Projekts am Beispiel Startnext und VisionBakery

Prinzipiell sind die Plattformen offen für alle Projekte – sofern sie dem Unternehmenskodex entsprechen – und betreuen es während der gesamten Zeit. Starter müssen sich zunächst auf der Website anmelden und legen dann ihr Projekt an, das vom Team der jeweiligen Seite überprüft wird. Die folgenden Schritte sind notwendig, um ein Crowdfunding-Projekt anzulegen.

 

1. Kalkulation der benötigten Funding-Summe:

Vorab sollte realistisch kalkuliert werden, welche Summe für das Projekt benötigt wird. Crowdfunding funktioniert auf Startnext und VisionBakery nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip: Liegt die benötigte Summe bei 7000 Euro, erreicht werden jedoch nur 6999, erhält der Projektstarter nichts. Werden 7001 Euro erreicht, erhält er 7001 Euro.

Die Summe des Fundingziels setzt sich zusammen aus:

Projektkosten (z. B. Lektorat & Coverdesign)
+ Gegenleistungen für Fans (Produktion, Versand, Mehrwertsteuer)
+ Transaktionsgebühren
+ Provision für die Plattform

+ eventuelle Steuern auf die Fundingsumme

Im Selbstverlag sind Autoren zwar sehr frei in der Umsetzung ihres Projekts, müssen sich dafür jedoch auch mit den Aufgaben eines Verlags beschäftigen. Vor der Kalkulation der benötigten Summe sollte man also alle Kosten, die für das individuelle Projekt anfallen, ermitteln. Die Kosten für ein Buch, das über Crowdfunding realisiert werden soll, können beispielsweise das Lektorat, die Covergestaltung sowie Produktion und Versand der Bücher für Unterstützer umfassen. Da es sich bei Crowdfunding-Einnahmen nicht um eine Schenkung handelt, fallen Einkommenssteuer und gegebenenfalls Umsatzsteuer an. Abgaben an die Crowdfunding-Plattform werden bei allen Dienstleistern nur bei erfolgreicher Finanzierung fällig.

Bei einer erreichten Fundingsumme von 5.000 Euro zieht VisionBakery z. B. 11,9 % ab, überwiesen werden 4.405 Euro. Wenn für das Lektorat und die Covergestaltung 2.000 Euro geplant sind, bleiben 2.405 Euro für die Produktion und den Versand der Gegenleistungen sowie eventuelle Steuern, die für die Gegenleistungen und die Fundingsumme anfallen.

Zwar lässt sich die benötigte Summe in der Finanzierungsphase des Projekts nicht mehr ändern, es ist jedoch möglich, das Projekt in verschiedene Größenordnungen abzustufen – dazu kann ein sogenannter Schwellenwert zusätzlich zum Finanzierungsziel angegeben werden. Beispiel: Ein Buch wird für die erreichte Summe von 3000 Euro als E-Book realisiert, für 5000 Euro als Print-Version.

 

Orientierungshilfe zur Buchpreiskalkulation

Wie hoch die Produktionskosten für ein Buch sind, ist natürlich von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Eine vereinfachte Stückkostenkalkulation des Verlages Voland & Quist für eine Klappenbroschur mit einer Startauflage von 2500 Exemplaren setzt sich beispielsweise folgendermaßen zusammen:

Bruttoladenpreis beträgt 14,90, davon abgezogen werden

  • 0,97 Euro Mwst. (7 Prozent bei Büchern, 19 Prozent bei E-Books)
  • 8,36 Euro Buchhandelsrabatt und Vertriebskosten (ca. 50 % bei kleinen Verlagen)
  • 0,24 Euro Lektorat und Korrektorat
  • 0,31 Euro Umschlaggestaltung und Satz
  • 1,98 Euro Buchdruck und CD-Produktion
  • 0,20 Euro Werbung

(damit bleiben 1,25 Euro Autorenhonorar und 1,59 Euro Verlagshonorar)

Bei Anbietern wie epubli, BoD oder buchwerft lassen sich Autorenservices, Ladenpreise und Stückkosten anhand verschiedener Kriterien vorab kalkulieren. Wenn Lektor und Druckerei aus der Nachbarstraße beauftragt werden sollen, sollten natürlich vorab die Preise für Lektorat und Druck eingeholt werden.

 

2. Gegenleistungen festlegen

Gegenleistungen sind die Artikel, die die „Investoren“ für die Unterstützung des Projekts auswählen können. Für eine geringere Investition kann zum Beispiel ein Lesezeichen, für einen höheren Betrag das E-Book, als nächsthöheres Dankeschön eine gedruckte Ausgabe eingestellt werden. Auch Lesungen oder mehrere Bücher als Paket lassen sich als Dankeschön anlegen. Crowdfunding ist prinzipiell ein Spendenmodell mit Gegenleistung – ein Mindestbetrag zur Unterstützung des Crowdfunding-Projekts ist von den Plattformen nicht festgelegt, auch die Gegenleistung kann lediglich symbolischen Wert haben. Alle auswählbaren Gegenleistungen, die Höhe der dafür vorgesehenen Beträge und die Stückzahl (limitiert oder unbegrenzt) legt der Projektinitiator selbst fest.

Anmerkung zum Buchpreisbindungsgesetz

Bücher und E-Books unterliegen üblicherweise dem Buchpreisbindungsgesetz. Dieses besagt, dass Bücher immer zu einem einheitlichen Preis angeboten werden müssen, was zu Schwierigkeiten mit den preislichen Staffelungen der Gegenleistungen führen könnte. 2016 gab es jedoch eine Gesetzesänderung, die Self-Publishing-Titel vom Buchpreisbindungsgesetz ausnimmt. Um auf der sicheren Seite zu sein, ist es trotzdem ratsam, sich diesbezüglich noch einmal für den einzelnen Fall zu informieren.

 

3. Vorstellung des Projekts

Jedes Projekt bekommt eine eigene Seite, auf der Projektstarter es anhand von Videos, Bildern, und Beschreibungen präsentieren. Ein Sachbuch ist natürlich leichter vorzustellen als ein Roman, der den Leser auf der Gefühlsebene anspricht. Generell eignen sich jedoch in beiden Fällen Auszüge und eine ausführliche Beschreibung, eventuell bestehende Illustrationen oder Fotos und ein überzeugendes Video, in dem der Initiator herüberbringt, was sein Buch besonders macht. Auch wofür das Geld genau benötigt wird und wofür es bei Überfinanzierung eingesetzt wird, sollte transparent an die Zielgruppe kommuniziert werden.

Die folgenden Fragen müssen bei Startnext beispielsweise beantwortet werden:

Worum geht es in dem Projekt?

Was sind die Ziele und wer ist die Zielgruppe?

Warum sollte jemand dieses Projekt unterstützen?

Was passiert mit dem Geld bei erfolgreicher Finanzierung?

Wer steht hinter dem Projekt?

 

4. Feedback einholen

Nachdem das Projekt angelegt ist, kann der Link zum Projekt bei Startnext in der Startphase verbreitet werden, um Freunde und Fans nach Feedback zu fragen. Dies soll dem Initiator helfen, die Seite weiter zu optimieren. Erst dann beginnt die Finanzierungsphase. Bei Startnext läuft die Finanzierungsphase 60 Tage, bei VisionBakery 55 Tage. Hier wird direkt nach dem Anlegen des Projekts in die Finanzierungsphase übergegangen – Feedback kann man sich während des Anlegens natürlich trotzdem einholen.

 

5. Werbung!

Ohne Unterstützer läuft nichts, daher sollte unbedingt Zeit investiert werden, um das Projekt an die passende Zielgruppe zu kommunizieren. Experten oder Autoren, die bereits eine bestehende Fan-Gemeinde haben, haben es hier entsprechend leichter als Erstpublizisten. Doch auch Debütautoren können mit guten Ideen erfolgreich sein, wie einige der erfolgreichen Projekte auf den Plattformen zeigen. Mit der Zielgruppe vernetzt sein sollte man jedoch bereits vor dem Start der Fundingphase.

 

Fazit: Crowdfunding für Self-Publisher erfordert sorgfältige Planung und Marketing

Erst die Käufer, dann die Investitionen: Für Autoren, die kurz vor der Fertigstellung ihrer Projekte stehen, ist Crowdfunding eine tolle Chance, ihr Projekt voranzutreiben, ohne finanzielle Risiken einzugehen. Der Vorteil an dem Alles-oder-nichts-Prinzip der Plattformen ist, dass keine Verpflichtungen oder Kosten entstehen, wenn es zu wenig Abnehmer für das Buch gibt.

Das Ziel ist natürlich ein erfolgreiches Projekt – und damit werden Verpflichtungen eingegangen. Als Self-Publisher ist man selbst verantwortlich für eine realistische Kalkulation der Kosten – sind diese zu niedrig angesetzt, zahlt man für die erste Auflage drauf, sind sie zu hoch angesetzt, finden sich vielleicht nicht genügend Unterstützer. Das Buch sollte zudem die Versprechen der Beschreibung halten. Aus dem versprochenen Plot kann nicht auf einmal eine andere Geschichte werden und auch die zeitliche Fertigstellung sollte ungefähr zu dem angegebenen Termin passen.

Neben einer sorgfältigen Planung erfordern Crowdfunding-Projekte viel Zeit für Rückfragen von Unterstützern sowie das Marketing. Eine gute Idee ist essentiell, reicht aber alleine nicht, denn mit einem halbherzig angelegten Projekt und einem Facebook-Link ist es nicht getan. Im Prinzip sind Crowdfunding-Projekte Vorab-Kampagnen – schließlich sollen Käufer überzeugt werden, das Projekt finanziell zu unterstützen. Wie wichtig gutes Marketing ist, lässt ein vermeintlich kleineres Projekt auf Startnext erahnen: Benötigt wurden 15.000 Euro für einen Terminkalender, der gleichzeitig Lebens- und Entscheidungshilfe bietet. Das Projekt hatte eine so hohe Reichweite, dass es mit 190.000 Euro von mehr als 5500 Unterstützern weit über die benötigte Summe hinaus vorfinanziert werden konnte. Der Kalender wurde von zwei Gründern initiiert, die auch andere sehr erfolgreiche Crowdfunding-Projekte wie den „Original-Unverpackt“-Supermarkt starteten – und vermutlich ein großes Netzwerk an Unterstützern um sich haben. 

Ausblick auf Teil 3: Crowdfunding für Verlagsleistungen

Neben der Finanzierung für Bücher im Selbstverlag haben Autoren auch die Möglichkeit, sich an sogenannte Crowdpublisher zu wenden. Das Prinzip ist ähnlich: Gibt es genügend Abnehmer bzw. Unterstützer für ein Buch, wird es produziert. Statt eines Geldbetrags für die Vorab-Investitionen erhalten Autoren die nötigen Verlagsleistungen, haben eine erste Auflage sicher und verdienen prozentual an ihrem Werk. Welche Möglichkeiten sich hier bieten, wird im dritten Teil dieser Beitragsreihe erläutert.

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Quellen:

 

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