Digital-Gipfel 2019 und Digitale Woche in Dortmund

Bundesminister Hubertus Heil im Gespräch mit content.de Autorin Irina Kretschmer. Foto: BMWi/BILDKRAFTWERK/Peter-Paul Weiler

Digital-Gipfel in Dortmund

Unfreiwillige Medienaufmerksamkeit erlangte der diesjährige Digital-Gipfel der Bundesregierung durch den Sturz unseres Wirtschaftsministers Peter Altmaier von der Bühne. Zu Unrecht war der Gipfel daher primär aus diesem Grund in den Nachrichten vertreten. Dabei hätte das zentrale Thema des Dortmunder Gipfels auch berichtenswert sein können. Es ging um die immer relevanter werdende Plattformökonomie, zu der auch content.de zu rechnen ist.

Sinn und Zweck des Digital-Gipfels ist es in jedem Jahr, den Stand von Forschung und Wissenschaft zum Thema Digitalisierung und das Engagement der Bundesregierung und der Wirtschaft, vertreten durch den Branchenverband bitkom, zu präsentieren. Daher setzen sich die geladenen Besucher auch primär aus Vertretern von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zusammen.

Paneldiskussion mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales

Das Podium v. l.: Lars Gaede (Moderator), Andreja Schneider-Dörr (Doktorandin Universität Bremen), Dr. Arne-Christian Sigge (Vorstand content.de AG), Hubertus Heil (Bundesminister für Arbeit und Soziales), Irina Kretschmer (Autorin bei content.de), Six Silberman (IG Metall) und Geraldine de Bastion (Moderatorin). Foto: BMWi/BILDKRAFTWERK/Peter-Paul Weiler

Nachdem der Vorstand von content.de im Sommer bereits mit zwei Autorinnen an einem viertägigen Workshop der Denkfabrik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Thema Plattformarbeit teilgenommen hatte, wurden wir eingeladen, an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Gute Arbeit in der Plattformökonomie“ zusammen mit dem Bundesminister Hubertus Heil teilzunehmen. Neben unserer Autorin Irina Kretschmer, Dr. Arne-Christian Sigge aus dem Vorstand der content.de AG und Six Silbermann von der IG Metall nahm noch Andreja Schneider-Dörr von der Uni Hamburg an der Podiumsdiskussion teil. Im Kern ging es dabei um folgende drei Fragen:

  • Was ist aus Ihrer Sicht gute Plattformarbeit, was macht den Reiz aus?
  • Wo sehen Sie Herausforderungen?
  • Was braucht es, um Machtverhältnisse zwischen Plattformbetreibern, Kunden und Plattformbeschäftigten fair zu gestalten?

Alle Panelteilnehmer hatten Gelegenheit, sich zu diesen Fragestellungen zu äußern. Anschließend gab es jeweils eine kurze Stellungnahme des Ministers.

Einig waren sich alle Panelteilnehmer, dass nur durch Transparenz und fairen Umgang miteinander gute Plattformarbeit möglich ist. Gute Plattformarbeit definierte Texterin Irina Kretschmer wie folgt: „Wenn alle Beteiligten Vorteile generieren, also die Plattform als Geschäftsmodell tragfähig ist – sowohl in qualitativer Hinsicht als auch in puncto Wirtschaftlichkeit, die Plattformarbeiter ihrerseits annehmbare Arbeitsbedingungen und die Chance geboten bekommen, zu ihren Ansprüchen passende Aufträge und damit Einkommen zu generieren.

Tatsächlich waren sich die Panelteilnehmer in vielen Punkten einig, auch darüber, dass der Status der Solo-Selbstständigen in der modernen Arbeitswelt mit teilweise hybriden Beschäftigungsverhältnissen durchaus Sinn macht. Bezeichnend, dass ein ver.di-Vertreter unsere Runde im Anschluss beim Kaffee ansprach und gegen diese „unmöglichen Verhältnisse im Crowdworking“ wetterte. Da war wohl jemand nicht im Thema oder einfach nur sauer, dass er nicht eingeladen war.

Ein Mittschnitt der Podiumsdiskussion inklusive aller Aussagen ist unter folgendem Link ab etwa 2:18:00 zu finden:

https://www.de.digital/DIGITAL/Navigation/DE/Service/Livestream-Digital-Gipfel-29-10-Forum-B/videostream.html

Buzzword-Bingo und die Kanzlerin

Ansonsten gab es viele interessante Gespräche und Vorträge auf dem Gipfel. So erfuhren wir, welchen Cyber-Bedrohungen ein börsennotierter Fußballverein ausgesetzt ist und dass es dabei nicht hilfreich ist, dass jeder 2. Mitarbeiter vor Jahren noch das Passwort 1909 verwendet hat. Der geneigte Fußballfan möge anhand des Standard-Passwortes und des Austragungsortes herausfinden, welcher Verein gemeint sein könnte.

Heiße Luft gab es nur selten auf der Bühne, dann aber gleich in der Scirocco-Version. Wenn Buzzword-Bingo zum Thema KI gespielt wurde, waren meist Marketingmenschen von Unternehmen aus dem Smart-Home/-Living Bereich auf der Bühne, die Sätze sagten wie „Wir setzen KI ein, um unsere KI-Plattform zu nutzen“. Glücklicherweise waren viele Menschen vor Ort, die wesentlich fundierter mit diesem Modebegriff umgehen konnten, wie beispielsweise die Mitglieder der Datenethik-Kommission, die ihre Arbeit zum Abschluss des ersten Abends vorstellten.

Den Abschluss des Gipfels bildete die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ziemlich deutlich mahnte sie Optimismus in der Branche an und zeigte auf, in welchen Bereichen Deutschland digital nicht da steht, wo man gerne stehen würde. Gründe sah sie auch in der mangelnden Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure.

Beruhigend, dass die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft, Plattformbetreibern, Plattformbeschäftigten und dem Arbeitsministerium schon ganz gut angelaufen ist.

Ihr Abgang von der Bühne erfolgte unspektakulär. Zwischenzeitlich hatte der Messebauer im hinteren Bereich der Bühne einen zusätzlichen Treppen-Abgang mit Handlauf installiert.

Auftakt zur Digitalen Woche Dortmund im Fußballmuseum

Eine Woche später machen wir uns auf zur Auftaktveranstaltung der Digitalen Woche in Dortmund. Kurz vor dem Ziel wird die Fahrt des ICEs durch einen in die Oberleitung geworfenen E-Roller ausgebremst. Auch die Rückfahrt wird später durch einen Gleisbruch verzögert. Schon in der Vorwoche gab es Probleme bei An- und Abreise zum Digital-Gipfel durch ausgefallene Züge. Immerhin ermöglichte es die DB-App, schnell Alternativen zu finden.

Eingeladen hatte die Wirtschaftsförderung Dortmund zur Auftaktveranstaltung ins Fußballmuseum Dortmund. Arnd Zeigler moderierte die Veranstaltung, in der es auch um Themen wie „Zukunft der Arbeit“ gehen sollte. Da nimmt man sich doch gerne Zeit für einen weiteren Tag in Dortmund. Die Veranstaltung fand in der Multifunktionsarena statt. Im Laufe des Vormittags war es noch möglich, mit dem Fahrstuhl in die oberen Etagen zu fahren und so die menschenleere Ausstellung zu besuchen. Mittags bemerkte man dies und stellte die Aufzüge ab. Da hatten wir unseren privaten Rundgang zum Glück schon hinter uns.

Mutterseelenallein in der DFB-Schatzkammer

Etwas Unterhaltung musste sein, denn die Vorträge büßten erwartungsgemäß gegenüber dem Digital-Gipfel deutlich an Qualität ein. Statt über die Zukunft der Arbeit wurde man über die Zukunft der Firma Wilo oder den Einführungsprozess von Microsoft Teams bei Microsoft informiert.

Zurück nach Macau mit mehr Followern

So war das Highlight des Tages neben dem Besuch der Ausstellung der Vortrag der Formel-3-Fahrerin Sophia Flörsch, die über „Female Empowerment in einem männerdominierten Sport“ sprach.  Bekanntheit erlangte die 18-Jährige im letzten Jahr durch einen spektakulären Unfall beim traditionsreichen Rennen in Macau, dem sie eine Titanplatte in der Wirbelsäule verdankt.

Inzwischen hat sie auch über 280.000 Follower auf Instagram und kennt sich mit digitalem Marketing aus. Das Rennen in Macau gilt als die Krönung im Formel-3-Rennkalender. Das Rennen, das sie im letzten Jahr nicht beenden konnte, fährt sie in diesem Jahr erneut. Am Samstag steigt sie in den Flieger nach China.

10 thoughts on “Digital-Gipfel 2019 und Digitale Woche in Dortmund

  • 26. November 2019 at 19:39
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    Hallo Bea, *wink*, stimme Dir zu 100 Prozent zu!! Und wenn ich Deine direkte Rede lese, vermisse ick direkt die Balina Schnautze. Entschuldigung, das war einfach etwas, das raus musste (o;
    Ich sehe auch diese grosse OO/DO-Schere immer weiter aufgehen. Erschwert das Auffinden guter Kunden zusehends, denn was nix kostet ist auch nix wert. Mars vs. Venus ist auch treffend.

  • 24. November 2019 at 11:08
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    Na, da kommt ja doch noch eine lebhafte Debatte in Gang zu diesem Thema,

    ich verfolge mit großem Interesse die aktuellen Wortbeiträge – und bin dann gleich wieder bei der großen Politik. Natürlich müssen alle Erwerbstätigen jeden Tag daran arbeiten, die eigene Position in der ständigen Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit zu stärken und die eigenen Interessen durchzusetzen. Das ist work in progress – und war es übrigens immer schon seit der Erfindung des Kapitalismus und der Schaffung eines Weltmarktes, der mit der Entdeckung Amerikas begann.

    In einer Zeit, in der immer mehr Arbeitgeber aus der Tarifbindung austreten, hilft auch der Hinweis nicht mehr, dass in allen Branchen, in denen der gewerkschaftliche Organisationsgrad groß ist, die Gehälter am höchsten und die Arbeitsbedingungen am besten sind. Und die freiberuflich Beschäftigten wie content.de-Texter*innen ziehen daraus gar keinen Vorteil. Könnten sie aber – wenn die Gewerkschaft auch auf diesem Feld einmal gezielt Mitglieder anwirbt und aus dieser Stärke heraus Arbeitskämpfe organisiert, die für unsere Auftraggeber schmerzhaft sind.

    Und damit bin ich bei Ihrem Beitrag, Herr Sigge. Sie haben vollkommen Recht mit dem Hinweis, dass in einer globalisierten Wirtschaft nur weltweite Absprachen die Augenhöhe zwischen Kapital und Arbeit herstellen. Ein guter Zwischenschritt wäre schon, wenn innerhalb der Europäischen Union (EU) ein solcher Fortschritt gelänge. Die Standards eines so mächtigen Wirtschaftsraums kann der Rest der Welt auf Dauer nicht ignorieren.

    Die große Politik allerdings erweist sich angesichts solcher Herausforderungen mal wieder als zwergenhaft. Die Kanzler-Kabarettist*innen und Präsidenten-Schauspieler sprechen seit etwa 35 Jahren wie berauscht von der globalen Wirtschaft. Aber was unternehmen sie für die Masse der Menschen, um ihr gerecht zu werden? Nichts! Anstatt antizipativ die Entstehung solcher Branchen wie unserer vorherzusehen und zu gestalten, hinken sie nur hinterher – beziehungsweise machen gar nichts.

    Aber die Wissenschaft weist doch immer und rechtzeitig darauf hin, wohin sich die Dinge entwickeln – auch die Wirtschaft. Die Gesetze zur Regulierung neuer Märkte und zur Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit müssen – und können! – doch schon vorhanden sein, bevor diese neue Strukturen entstehen. Dann gäbe es gleich von Beginn an für die Menschen ganz andere Möglichkeiten, in ihrem Arbeits- und Lebensalltag damit umzugehen.

    Mit Entschuldigung für diesen etwas weit ausholenden Beitrag grüßt
    Peter Umlauf

  • 24. November 2019 at 10:49
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    Venus meets Mars – on the platform!

    Da hier doch das Thema der Bezahlung als sehr relevant angesprochen wird, das direkt mit der Thematik der Wertschätzung verknüpft ist, drängt sich mir eine Bilanz der Verhältnisse auf.

    Dein Begriff, Flanka, „menschenverachtend“, geht mir dabei ständig durch den Kopf, da er meine Beobachtungen auch wieder spiegelt, wenn ich den Begriff auch nicht verwende – bisher nicht. Wie oft denke ich, und das betrifft auch nur die OO Aufträge: „Spinnt der, wie kann man für unter 2 Cent einen „gut recherchierten, stilistisch hochwertigen“ Fachartikel erwarten? Wo sind wir denn hier?“ Oft denke ich aber auch: „“Wenn das mal gut geht!“, wenn jemand seine Home Page, bekanntlich die Visitenkarte des Unternehmens, von beliebigen OO Textern schreiben lässt. Stilistische Kohärenz? Bei mehreren Autoren sicher gering, aber das scheint egal zu sein, Hauptsache, man kommt mit dem 20 Euro Budget hin und kann loslegen. Wenn das Budget 20 Euro übersteigt, es aber nicht eingesetzt wird, wird es allerdings absurd. „Das soll mal schnell wer herunter kloppen, ich habe genug andere Projekte am Laufen“.

    Und hier komme ich zum Venus und Mars Bild. Es treffen sprachliebende, gebildete (nicht umsonst wird bei der Registrierung als erstes der akademische e Titel abgefragt) Menschen auf Menschen, denen nur eins wichtig ist: Ratet mal alle.

    Mir stellt sich der Marktplatz immer deutlicher als in zwei Welten geteilt dar: Der OO Bereich ist auf „Texte billig und wirkungsvoll im SEO Sinn“ ausgerichtet, der DO Bereich scheint deutlich wertschätzender und persönlicher – und qualitätsbewusster.

    Kleiner Exkurs zum Thema „menschenverachtend“ und „Keywords“: Auch ich kommentiere manche Briefings, die man kaum findet, da sie gaaanz weit unten nach 50 Keywords erscheinen (wirklich wahr, auf Stufe 3 tummelt sich jemand, leider mit Erfolg, der den World Cup im Keywordanhäufen verdient hätte). Was soll man damit bzw. wozu wird der Texter hier degradiert Genau, zum Keywordverpacker, der alles, was er mal bezüglich Wiederholungen von Wörtern gelernt hat; (zum Beispiel; dass es „doof“ wirkt, wenn jemand ständig „Pizza Bringdienst“ schreibt, kennste noch andere Wörter? Nee!) vergessen soll.

    Quintessenz, wie schon erwähnt: Man sollte versuchen, gute Kontakte zu Kunden aufzubauen, deren Themen interessant sind, und die auch bereit sind, den Keywordwahn außer Acht zu lassen, um wirklich gute Texte zu erhalten. Die anderen Angebote möglichst links liegen lassen, dann könnte sich auch etwas in dem Bereich regen.

    Bea

  • 23. November 2019 at 13:53
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    Sie haben sicher aus Betreibersicht in vielen Punkten recht, Herr Sigge. Nicht umsonst sind viele Texter langjährige Mitglieder bei content.de, fühlen sich gut abgeschirmt und vor Zechprellern sicher.
    Wie Kollegin Bea schon anmerkte, scheint die Perspektive von (OpenOrder-)Auftraggebern indes oftmals weit entfernt von Augenhöhe und Wertschätzung zu sein. Beileibe nicht durchweg, doch sehen wohl viele Texter, die sich als Freelancer oder Aufstocker durchschlagen, hierin eine große Baustelle, an der wir direkt arbeiten könn(t)en. Hobby- und Spaßtexter mögen dies ganz anders wahrnehmen, weiß ich nicht.
    Den Code of Conduct, Ihr Engagement, wachsende öffentliche und folgend auch politische “Awareness” sehe ich als wichtige Bausteine auf dem Weg.

  • 22. November 2019 at 14:32
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    Eine große Herausforderung besteht darin, dass man bei den Plattformen differenzieren muss. Hat eine Plattform ein Quasi-Monopol oder betreibt ein Geschäftsmodell, dass nur mit der Plattform funktioniert (wie z. B. uber oder Deliveroo), muss man damit ganz anders umgehen, als mit einer Plattform, die Aufträge vermittelt, die ggf. auch ohne diese Plattform zustande kommen würden. Wir als Texter-Plattform konkurrieren nicht nur mit anderen Texter-Plattformen, sondern auch mit Facebook-Gruppen, Foren und sonstigen virtuellen Orten, an denen Texter auf Auftraggeber treffen. Nicht überall werden dann auch sauber KSK-Beiträge abgeführt oder die Honorare tatsächlich ausbezahlt. Warum werden sonst häufig „Textpakete“ in diesen Gruppen zum Kauf angeboten? Meist stecken unbezahlte Rechnungen dahinter.
    Eine Überregulierung der Plattformen verlagert die Jobs in die Bereiche ohne Honorarsicherheit und zuverlässige KSK-Beiträge.
    Problematisch sind auch nationale Regelungen. Internationale Plattformen kennen keine Ländergrenzen. Die Standards im Crowdworking was Transparenz, Fairness, Support und Bezahlung für Crowdworker angeht, sind in Deutschland im internationalen Bereich führend. Den Betrieb von Plattformen in Deutschland durch eine Überregulierung unattraktiv zu machen, wäre ein Rückschritt für deutsche Crowdworker.
    Ein gesetzlich vorgegebener Mindestwortpreis würde uns nicht stören. Allerdings müsste sichergestellt sein, dass er auch in FB-Gruppen und auf international agierenden Plattformen gilt und eingehalten wird… und das wird vermutlich ein Wunschtraum bleiben.

  • 22. November 2019 at 14:09
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    Ich bin froh, dass sich zu diesem meiner Meinung nach sehr wichtigen, weil zukunftsweisenden Thema doch etwas regt in den Kommentarfeldern. Zwar noch nicht lange Plattform-Autorin, aber finanziell darauf angewiesen, habe ich in wenigen Monaten hier sehr viel gelernt.
    Zum schon Geschriebenen oben: Auch ich hadere seit geraumer Zeit mit der offenen Marktplatzsektion, dem eigentlichen Crowdworking-Teil, mit seinen geradezu abyssalen Wordpreisen (die bei content.de ja noch vergleichsweise glimpflich ausfallen, Danke auch an diese Adresse zum politischen Engagement!!).
    Ich mache mir des Öfteren die Mühe, Briefings zu bewerten und zu kommentieren … , wer noch?
    Open Orders sehe ich als Probetexte zum Teaserpreis (bin immerhin auf Stufe 4*+), über die zum Standardpreis allenfalls Plaintext beauftragt werden dürfte unter Angabe von Recherchequellen und konkreten Strukturvorgaben – sine qua non!
    Jeder Extraaufwand und “Mehrwert” (Freie Recherche, Strukturentwicklung, Formatierungen, Links, Google-Snippets, Analysen, etc.) sollte auch extra kosten!!
    Ohne “geschlossenen” Marktplatz, die Direct-Order-Option, wäre diese Variante der Plattformökonomie absolut unattraktiv – geradezu menschenverachtend, jedenfalls aus meiner Sicht. Beide Teilsysteme gilt es, getrennt zu betrachten und zu regeln – beziehungsweise eben nicht.

  • 15. November 2019 at 10:24
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    Lieber Peter,

    ich stimme Dir in der Hinsicht sofort zu, dass vieles sich als „machbar“ erweist, wenn man dran glaubt und sich dafür einsetzt, und dass es viele Fortschritte in allen Bereichen gab, können gerade wir Ollen gut bestätigen.

    Aber:

    So einfach scheint mir das alles nicht zu sein, denn wir erbringen ja keine quantifizierbare (einem Haarschnitt, Waschen und Legen, Minipli nicht zu vergessen vergleichbare) Leistung, sondern etwas, das man eigentlich nicht quantifizieren kann: Texte, die mal mehr, grr, mal weniger Aufwand erfordern, aber immer nach dem „Micro-Cent per Word“ Preis vergütet werden. Das ist schon einmal heikel, aber, Texter darf sich jeder nennen, es gibt eine Riesenarmada billig-williger Schreiber da draußen – in vielen Fällen Hobbyschreiber, die davon nicht leben – die gerne für 1 Cent heran rauschen, x Revisionen ohne Murren bearbeiten, nächtliche Kundenanrufe tolerieren. Da sind wir auf der Plattform ja mehrfach abgesichert.

    Ja, und dann gibt es noch den schönen Pauschalpreis, den Graphiker oder Webdesigner etc. auch nehmen. Je nach Erfahrung und Selbstbewusstsein ist ein Fachartikel für 5 Euro bis x zu haben. Das entzieht sich jeder Kontrolle , und ein Minimallohn ward auch nicht gesehen.

    Ein bisschen ratlos macht mich das schon; ich kann auch nur dazu raten, sich DO Stammkunden aufzubauen. Dann wird es einigermaßen behaglich.

    Sonnigen Gruß aus Berlin! Bea

  • 14. November 2019 at 10:38
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    Das sehe ich etwas anders,

    Bea – und erst einmal Danke für deinen Blick auf die Dinge. Der Markt regelt nur dann die Dinge zur Zufriedenhalt aller Beteiligten, wenn sie auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandeln. Global player oder Unternehmen die europa- deutschland- oder zumindest landesweit agieren, sind ja auch Kunden unserer Plattform. Ohne gesetzliche Vorgaben haben wir Autoren keine Chance auf gleiche Augenhöhe. Auch in Branchen und Berufen, wo nach Stundenlohn bezahlt wird, gab es ja bis vor einigen Jahren keinen gesetzlichen Mindestlohn. Jetzt haben wir ihn – er muss allerdings noch deutlich stärker überwacht und durchgesetzt werden von den verantwortlichen Behörden, die Verstöße konsequent verfolgen und bestrafen.

    Ja, der open order-Preis unserer Plattform kann tatsächlich nur ein Einstiegshonorar sein. Wenn du einen unverzichtbaren Teil deiner Existenzsicherung bei content.de erarbeiten willst, brauchst du möglichst schnell möglichst viele direct order-Kunden. Das ist auch mir nie in dem Umfang gelungen, wie ich es mir gewünscht habe.

    Aber genau da sehe ich den Ansatzpunkt für einen Mindestlohn in unserer Branche. Warum definiert der Gesetzgeber nicht einen deutlich höheren open order-Wortpreis als Mindesthonorar? Das Recht der Plattformen, Qualitätsabstufungen und die Honorar-Abstände dazwischen vorzunehmen, bleibt davon ja unberührt. Wer 3* oder 4** ist, bestimmt unverändert die Qualitätskontrolle von content.de wie auch die Autoren selbst weiterhin ihren direct order-Preis festsetzen.

    Ja, mir ist klar, dass sich dieser Vorschlag sehr gewöhnungsbedürftig anhört. Aber vor 20 Jahren war es noch unvorstellbar, dass im Bauhauptgewerbe europaweit innerhalb der Europäischen Union (EU) Standards gelten: für Bezahlung, Umweltschutz- und Sicherheitsauflagen Vor zehn Jahren war es noch undenkbar, dass der Gesetzgeber in Deutschland Mindestlöhne für Friseure oder Mitarbeiter von privaten Sicherheitsdiensten definiert.

    Optimistisch stimmt mich mit Blick in die Zukunft unserer Branche, dass die Gewerkschaften das crowdworking und viele andere Berufe sowie Veränderungen der Arbeitswelt, die durch das Internet überhaupt erst entstehen, im Blick haben und versuchen, mitzugestalten.

    Als Altersruheständler, die immer den 1. August – den Tag der jährlichen Rentenerhöhung – im Blick haben, grüßt in die Runde
    Peter Umlauf

  • 13. November 2019 at 10:27
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    Lieber Peter,

    schön, mal wieder von Dir zu lesen – noch nicht ganz aus dem Betrieb zurück gezogen?

    Der Hinweis auf die niedrigen, seit Jahren stagnierenden OO Tarife ist sicher berechtigt, aber wir Alle, die für Plattformen arbeiten, tragen zum Erhalt dieser Situation bei und können uns nicht mal groß zu Maßnahmen dagegen verabreden (Fridays for Faulsein, heute bleibt der PC aus …)

    „Die Politik“ kann an solchen komplexen Verhältnissen wenig ändern, Marktplatz ist Marktplatz, und Du schreibst ganz richtig: Einen Stundenlohn haben wir nicht – also auch nicht einzuklagen.

    Ich habe mir über die Kundschaft neulich ausführliche Gedanken gemacht, und mir ist klar geworden, dass vielen AGs nicht bewusst ist, dass die Open Order Preise die pure Phantasie sind. Als „Einstiegsdroge“ taugen sie aber gut: super, so billig habe ich einen Text geschossen, und der Schritt dahin, einen Autor, der zuvor für Krümel geschrieben hat, plötzlich mit dem Dreifachen, also einem drei Krümel Salär zu bedenken, wird oft vehement verweigert. (Hatte gerade so einen Fall). Was ist ein Wort wert? Keine Ahnung.

    Den Trend zu solchen Verhältnissen werden wir nicht aufhalten können, und man kann durchaus in dem System existieren, aber große Sprünge gibt es nicht.

    Bon voyage – wohin sie auch immer führt! Bea

  • 12. November 2019 at 13:42
    Permalink

    Erst einmal Danke, Herr Sigge,

    für diesen Blick auf die beiden Veranstaltungen in Dortmund. Wie gewohnt legen Sie in wohlgesetzten Worten, die zum Schmunzeln reizen, den Finger auf die Schwachpunkte solcher Veranstaltungen und einige ihrer Referent*innen.

    Für mich ergibt sich im Rückblick auf fast sechs Jahre regelmäßige Tätigkeit für content.de auf jeden Fall eine positive Bilanz. Inzwischen gut versorgter Rentner, buche ich gerne die gelegentlich noch eintreffenden direct orders. Unsere Plattform war auf der letzten Etappe zum Altersruhestand ein wesentlicher Baustein meiner Existenzsicherung. Aber ein “wunder” Punkt bleibt: Die Bezahlung für diese wirklich anspruchsvolle Arbeit ist zu gering – deutlich zu gering. Wie viele Menschen kommen für diese Tätigkeit in Frage? Sie fordert einen hohen formalen Bildungsabschluss, allgemeines Interesse an der Welt und schnelles, konzentriertes, effizientes Arbeiten – wenn jemand davon leben will. Vielleicht zwei bis drei von zehn Menschen bringen diese Voraussetzungen mit – mehr mit Sicherheit nicht.
    Das ist jetzt kein Vorwurf an content.de oder generell an die Arbeitgeberseite beziehungsweise die Arbeitnehmer-Vertretungen. Nein: Hier ist eindeutig der Staat gefordert. Das crowdworking ist ja okay – auch unter Klima- und Verkehrsgesichtspunkten. Wer zu Hause arbeitet, fährt nicht zur Arbeit: Er oder Sie benötigen kein Auto, keinen Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln, keine Fahrradwege. Sie schonen somit die Infrastruktur, benötigen keine Energie und verursachen keinen Schadstoff-Ausstoß. Auch das home office trägt dazu bei. Bei uns im Haus wohnt ein Vollzeit-Beschäftigter, der bei fünf Arbeitstagen pro Woche nur noch zwei bis drei Präsenz-Tage in der Firma hat: Alles andere macht er von zu Hause aus beziehungsweise in Verkaufsgesprächen vor Ort beim Kunden.
    Das ist übrigens kein Thema, das mit dem von Menschen gemachten Klimawandel und friday for future zusammenhängt. Schon vor etwa 35 Jahren hat ein großes Versicherungsunternehmen in meiner Heimatstadt entschieden, nicht in großem Umfang neue Büroflächen zu bauen. Stattdessen wurde die Arbeitszeit flexibilisiert und die Möglichkeit, am späten Nachmittag bis weit in den Abend hinein zu arbeiten, kam bei vielen Beschäftigten hervorragend an. Ein Schreibtisch für zwei Beschäftigte hieß das Prinzip – und es wurde auch Arbeit vom Firmensitz ins home office ausgelagert: Alles unter Beteiligung des Betriebsrates und mit ausdrücklicher Zustimmung der Belegschaft.
    Und damit bin ich wieder bei den Arbeitsbedingungen der crowdworker: Es wird auch hier Systeme der sozialen Absicherung geben müssen: Ich habe diese Möglichkeit über die Künstlersozialkasse (KSK) genutzt, also Anfänge davon existieren bereits. Und es wird auch so etwas wie einen Mindestlohn geben müssen – was sich in unserem Arbeitsfeld gewiss viel komplizierter gestaltet als in Branchen mit Stundenlohn. Und wenn es keine Betriebsversammlungen mehr gibt von Angesicht zu Angesicht, müssen für den Austausch der crowdworker eben virtuelle Konferenzräume im Internet aufgebaut werden. Übrigens: Ich bin selbstverständlich auch als content.de-Texter Gewerkschaftsmitglied geblieben!

    Soviel erst einmal vom Rentner, der gerade seine nächste Fernreise plant: entweder zum Polarkreis oder nach Schwarzafrika.

    Gruß
    Peter Umlauf

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