Was zeichnet gute Kinderbücher aus? Sollen sie informieren, unterhalten, belehren? Bis zum Jahr 1865 waren sich Pädagogen und Eltern einig: Hochwertige Kinderliteratur fördert die sittliche Entwicklung. Doch dann wagte ein englischer Mathematiker einen neuen Ansatz…
“Was ist der Unterschied zwischen einem Raben und einem Schreibtisch?”*
Eine merkwürdige Frage aus einem merkwürdigen Buch – so seltsam, dass der Zeitgeist “Alice im Wunderland” von Lewis Caroll zunächst ignorierte. Von erzieherischem Bemühen war in den skurrilen Abenteuern der Titelheldin nämlich nichts zu spüren, dafür umso mehr von Einfühlungsvermögen in kindliche Vorstellungswelten. Im Wunderland begegnet die kleine Alice nicht nur sonderbaren Geschöpfen wie dem verrückten Hutmacher und einem lebendigen Kartenspiel samt enthauptungswütiger Königin. Durch diese Figuren sprechen auch die Erwachsenen mit all ihren Regeln, Forderungen und Verhaltensweisen. Dabei benehmen sich die seltsamen Wesen so absonderlich und manchmal auch beängstigend, wie “die Großen” einem Kind tatsächlich oft erscheinen.