Textart Blogbeitrag – Versuch einer Definition (gescheitert)

Textart Blogbeitrag“Was genau ist ein Blogbeitrag und was ist kein Blogbeitrag?” Stellt man diese Frage, blickt man bei vielen Kollegen, die täglich Blogbeiträge lesen, verkaufen und bewerten, schnell in ratlose Gesichter, wenn plötzlich eine trennscharfe Abgrenzung oder gar eine “gerichtsfeste” Definition gewünscht wird. Erwischt! Gerade heute waren wir in der Situation: Ein Kundenbriefing lautete “Ich brauche einen Text für den Blog. Es soll um Folgendes gehen: […]” Angehängt war ein eingescannter Zeitungsartikel mit einer Unternehmensdarstellung, bzw. -präsentation. Der Texter lieferte einen Text, der sicherlich auf die Startseite der Webpräsenz des Unternehmens gepasst hätte. Der Kunde wollte den Text ablehnen mit der Begründung: “Das ist kein Blogbeitrag.

Wie so oft bei Ablehnungsanträgen mussten wir feststellen: Irgendwie waren beide Seiten am Scheitern des Textprojektes nicht ganz unschuldig. Die Aufgabenstellung war nicht eindeutig, bezogen auf die Textart durch den vorgegeben Text sogar widersprüchlich. Ohne den Blog, in dem er veröffentlicht werden soll, zu kennen, war es für den Autor kaum möglich, einen passenden Text zu liefern.

Der Fall wurde geklärt. Hängen blieb im Team die Frage: “Was ist denn nun genau ein Blogbeitrag und woran werden wir künftig festmachen, ob der Ablehnungsgrund bei klarer Aufgabenstellung greifen würde?”

Da liegt es doch nahe, einen Blogbeitrag darüber zu schreiben, was denn genau ein Blogbeitrag ist.

Textart Blogbeitrag – Versuch einer Definition

Wenn man wissen will, was ein Begriff genau bedeutet, schaut man erstmal bei Wikipedia nach. Da heißt es über den/das Blog:

Das oder auch der Blog oder auch Weblog (Wortkreuzung aus engl. Web und Log für Logbuch) ist ein auf einer Website geführtes und damit meist öffentlich einsehbares Tagebuch oder Journal, in dem mindestens eine Person, der Blogger, international auch Weblogger genannt, Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert („postet“) oder Gedanken niederschreibt.

[…] häufig sind die Beiträge aus der Ich-Perspektive geschrieben. Das Blog bildet ein Medium zur Darstellung von Aspekten des eigenen Lebens und von Meinungen zu spezifischen Themen, je nach Professionalität bis in die Nähe einer Internet-Zeitung mit besonderem Gewicht auf Kommentaren.[…]

(Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Blog Stand 10/2016)

Kleiner Einwurf: In dieser Definition werden beide Varianten erlaubt: Sowohl der Blog als auch das Blog ist möglich. Bei content.de ist der Blog männlich. Bei der Neutrum-Variante rollen sich die Fußnägel des Autors auf.

Als wesentliche Eigenschaften für einen einzelnen Blogbeitrag lassen sich folgende Punkte herauslesen:

  • Tagebuchcharakter
  • Protokoll von Sachverhalten oder Gedanken
  • Darstellung von Aspekten des eignen Lebens und Meinungen zu spezifischen Themen
  • Gewicht auf Kommentaren
  • oftmals aus der Ich/Wir Perspektive
  • chronologische Abfolge von Texten

Würde man dies als eine strenge Definition sehen, fällt ein erheblicher Teil der auf content.de georderten und gelieferten Texte nicht in die Kategorie Blogbeitrag – trotzdem gibt es keine Klagen. Demnach fallen offensichtlich umgangssprachlich auch einige andere Textarten in die Kategorie Blogbeitrag.

Im Blog der ZEIT findet sich ein schönes PDF mit einer Auflistung der klassischen journalistischen Textarten.

Mehrere der in diesem Beitrag beschriebenen Textarten passen zu dem, was vielfach unter Blogbeiträgen verstanden wird:

Zur Wikipedia-Definition passen noch am besten:

Aber auch folgende Textarten tauchen oft in Blogs auf:

Die Inhaltliche Ausrichtung des Blogs definiert die Textart

Kategorisieren wir einmal – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Blogs nach ihrer Inhaltlichen Ausrichtung und dem thematischen Gegenstand.

  • Meinungs- bzw. Politikblog
  • Eventblog mit Konzertberichten etc.
  • Themenblog (Reise, Mode, Technik, Medizin, Wirtschaft etc.)
  • Fanblog (Musik, Sport, Film)
  • Unternehmensblog

Eine weiterführende Liste findet der geneigte Leser auf bloggerei.de.

Schnell wird klar, dass in obiger Auflistung nur Blogs der ersten Kategorie unter die “klassische” Definition von Wikipedia fallen. Je weiter man der Liste folgt, desto vielfältiger werden die anzutreffenden Textarten. Das liegt primär an den unterschiedlichen Zielen, die ein Blogbetreiber verfolgt.

Ziele eines Blogs

Vom ursprünglich intendierten Tagebuchcharakter des individuellen Bloggers sind die meisten Blogs inzwischen weit entfernt. In den seltensten Fällen geht es noch um das Ausleben einer Profilneurose. Eine Taxonomie von Blogs anhand der Ziele des Bloggers könnte wie folgt aussehen:

  • Ausleben von Profilneurosen
  • Meinungsbildung
  • Bedürfnis zu einem Themenkomplex zu informieren
  • Fandom
  • Verfolgung gemeinnütziger Zwecke
  • Unternehmenskommunikation und Kundenbindung
  • Monetarisierung als Affiliate, Influencer oder Linkverkäufer

Auch bei dieser Kategorisierung erkennen wir eine steigende Anzahl an möglichen Textarten, je weiter wir die Auflistung verfolgen.

Die Monetarisierungsmöglichkeiten eines Blogs durch Affiliatelinks, gesponserte Gastbeiträge oder sonstige Influencerprovisionen sind heutzutage enorm. Somit wächst gerade in diesem Bereich die Anzahl der anzutreffenden Textarten. Neben der Kritik eines Events oder einem Testbericht gibt es nun auch die Neuvorstellung von Produkten, Nachrichten, Features und Reportagen zu Produkten oder Herstellern.

Der Blog als Umfeld definiert die Textart

Welche Textarten für einen individuellen Blog passend sind, lässt sich am einfachsten durch einen Blick auf den Blog selbst bestimmen. Die inhaltliche Ausrichtung und die Ziele des Blogs dürfen dabei nicht aus den Augen gelassen werden. Sehen wir uns doch einfach mal im direkten Umfeld um.

Der content.de- Blog, in dem dieser Text erscheint, ist ein Sammelsurium von Textarten. Gerade wurde unser Erlebnisbericht der dmexco 2016 als wunderbares Beispiel für Storytelling gelobt – und somit stellt sich die Frage Was ist eigentlich Storytelling?” – Aber das gehört in einen anderen Blogbeitrag. In unserem Blog finden sich auch Interviews, Vorstellungen von neuen Features, Best-Practise-Cases, Blicke hinter die Kulissen und vieles mehr. Ziel des Blogs ist es sicherlich, die Autoren- und Kundenbindung zu stärken und Neuigkeiten aus dem Unternehmen diesen beiden Zielgruppen zu kommunizieren. Dazu passen eine ganze Reihe von Textarten, die in stärker fokussierten Blogs sicher nicht passend wären.

Ein Blick auf die bereits bestehenden Blogbeiträge hilft demnach sehr bei der Entscheidung, ob ein bestimmter Text in diesem Blog als „Blogbeitrag“ die passende Textart hat. “Alles erlaubt” gilt demnach nicht für Blogbeiträge, zumindest bezogen auf die Textart. Es kommt stark auf das Umfeld an. Es gibt aber noch einige weitere Signale eines Textes, die anzeigen, dass es sich vermutlich nicht um einen Blogbeitrag handelt.

Ausschlusskriterien für die Textart Blogbeitrag

Eins vorweg: Nur weil eine Webseite mit dem Contentmanagement-System WordPress erstellt wurde, ist es noch kein Blog. WordPress – ursprünglich als Blog-CMS konzipiert – hat sich inzwischen zu einem universellen CMS weiterentwickelt, mit dem komplette Shopsysteme, Unternehmensauftritte sowie Foto-, Grafik- oder Architekturportfolios realisiert werden können.

Wo wir gerade beim CMS sind, machen wir ein Ausschlusskriterium gleich an der Positionierung des Textes fest. Ist der Text dazu bestimmt, an einer fixen Stelle der Seitenstruktur zu stehen oder soll er gar den Startseitentext darstellen (wohlmöglich noch mit einem „Herzlich willkommen auf unserem Blog“), dann disqualifiziert er sich für die Textart Blogbeitrag. Blogbeiträge sind Teil einer kontinuierlichen, möglichst chronologischen Abfolge von Texten.

Ebenso ist ein klassischer Landingpagetext mit explizitem Call to Action nicht das, was man in einem Blog publizieren würde.

Ein reiner Werbetext für ein Produkt oder eine Dienstleistung gehört ebenfalls nicht in einen Blog.

Was sollte ein Blogbeitrag bieten

Neben den oben erwähnten Ausschlusskriterien gibt es auch ein paar Aspekte, die darauf hinweisen, dass man es mit guten Blog-Content zu tun hat:

  • In den Text fließt die persönliche Note des Autors ein, er ist authentisch.
  • Der Text passt zum Stil des restlichen Blogs. Bei mehreren Autoren darf jeder Autor seinen eigenen Stil verfolgen, die grobe Stilrichtung des Blog wird berücksichtigt.
  • Der Text transportiert eine Meinung zu einem Thema, regt im Idealfall zu einer Diskussion an.
  • Der Text hat eine Relevanz und bietet dem Leser einen Mehrwert.

Definition Textart Blogbeitrag

Alle Leser, die schnell zu dieser Zwischenüberschrift gescrollt haben, um für Ihre Hausarbeit per Copy & Paste ein paar kluge Sätze zu übernehmen, muss ich an dieser Stelle enttäuschen. In den vorhergehenden Absätzen wurde dem geduldigen Leser klar: Viele klassische Textarten können als Blogbeitrag durchgehen. Ob sie passend sind, hängt von der inhaltlichen Ausrichtung und dem vom Blog allgemein verfolgten Ziel ab.

Als Autor muss man sich vor dem ersten getippten Wort darüber im Klaren sein, welche Art von Blogbeitrag gewünscht ist. Geht das nicht aus dem Briefing hervor bzw. erscheint die Vorgabe “Blogbeitrag” widersprüchlich zur restlichen Aufgabenstellung, ist es angeraten, beim Auftraggeber nachzufragen.

Als Auftraggeber sollte man daher im Briefing klar sagen, welchen Zweck der Blog verfolgt, für den der Text vorgesehen ist, welche thematische Ausrichtung er hat und welche der dadurch in Frage kommenden Textarten passend erscheint. Die Bezeichnung Blogbeitrag stellt ohne Kontext keine Textart dar.

Texte schreiben um Online Geld zu verdienen:

Foto: Artur Marciniec @ Fotolia

8 thoughts on “Textart Blogbeitrag – Versuch einer Definition (gescheitert)

  • 8. Oktober 2016 at 09:06
    Permalink

    Ja, nochmal lesen könnte helfen. 😉 Die Verschwörungstheoretiker habe ich übrigens nicht erwähnt.

  • 7. Oktober 2016 at 23:02
    Permalink

    Ach was, ich werd’ verrückt – ein Blog ist nicht (mehr) für das Ausleben von Profilneurosen zuständig?! Nun macht aber mal nen Punkt – mein netzgeprägtes Weltbild gerät gehörig ins Wanken. Jetzt soll ich als Autor sogar noch inhaltsschwangeren Mehrwert statt rundgelutschtes Meinungsbild liefern, wird ja immer besser! Und wenn der Text nicht passt, wird er mir um die Ohren gewedelt. Oder wie jetzt? Moment, ich lese noch mal von Anfang an … 😉

    Gruß ringsum, Claudia G. (Dienstwerk)

  • 7. Oktober 2016 at 12:42
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    Gelassenheit? Hmmm, muss man manchmal auch haben, aber ein paar Emotionen sind für mich auf jeden Fall immer ganz hilfreich beim Schreiben. 😉

  • 7. Oktober 2016 at 11:38
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    Hallo in die Runde und vorab Danke für den sehr informativen Beitrag, Herr Sigge,

    vor allem der Hinweis auf die ZEIT-pdf ist für professionelle Schreiber vom Journalisten über den Ghostwriter bis zum content.de-Autor wichtig: Man erinnert sich noch einmal mit Hilfe formaler Kriterien daran, was man in diesen Berufen eigentlich macht. Es handelt sich um ein wirksames Gegengift, wenn durch “Betriebsblindheit” Gefahr im Verzug ist.

    Ja, der Versuch, zu definieren, was ein Blogbeitrag ist, kann nur scheitern. Bei der großen Bandbreite und Möglichkeiten für Blogbeiträge bleibt letztendlich nur die Aussage: “Ein Blogbeitrag ist das, was jeder dafür hält, was dem Thema angemessen ist und was der Auftraggeber, der ihn bezahlt, dafür haben will”.

    Wer als eingebetter Journalist mit einer Militäreinheit im Kampf gegen die IS-Terrormiliz unterwegs war, schreibt einen anderen Blogbeitrag als jemand, der in den Millionärs-Ghettos im Miama, Florida, recherchierte und das in der Darstellung mit seiner persönlichen Weltanschauung verbindet.

    Vielleicht ist die entscheidende Stärke von Blogbeiträgen, dass sie Widerspruch herausfordern und damit Nachdenken und notwendige Diskussionen in Gang bringen. Ich erfahre das gerade wieder nach einem Beitrag im Online-Forum der Partei, der ich schon seit Jahrzehnten angehöre – dabei handelt es sich zweifellos im Blogbeiträge. Nachdem ich mich dort sehr massiv gegen verkaufsoffene Sonntage positioniert habe, werde ich daran erinnert, dass die höchste Steigerungsform der Reihe: Feind – Erzfeind – “Parteifreund” lautet. Das wiederum setzt bei mir die Überlegung in Gang, ob ich meine Sicht der Dinge nicht doch etwas gelassener hätte formulieren können.

    Aber Gelassenheit, Herr Sigge, ist auf keinen Fall ein Kennzeichen von Blogbeiträgen, oder?

    Gruß an die content.de-Gemeinde von
    Peter Umlauf

  • 7. Oktober 2016 at 08:43
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    Doch Herr Lippenblüter, das darf man laut sagen, denn das steht ja sogar genau so in dem Artikel 😉

  • 7. Oktober 2016 at 08:38
    Permalink

    Ganz wichtig und ganz einfach: Nicht irgendwas schreiben sondern unserer Support kontaktieren und den Kunden auf die eigene Blacklist setzen.

  • 7. Oktober 2016 at 08:00
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    Interessanter Artikel. Vielen Dank dafür. Da bleibt jedoch die Frage offen: Was macht man als Autor, wenn der Auftraggeber Nachfragen nicht wünscht oder ungehalten darauf reagiert?

  • 7. Oktober 2016 at 00:54
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    “Würde man dies als eine strenge Definition sehen, fällt ein erheblicher Teil der auf content.de georderten und gelieferten Texte nicht in die Kategorie Blogbeitrag – trotzdem gibt es keine Klagen.”

    Das wundert mich nicht, denn Wikipedia ist in dieser Hinsicht – wie bei anderen Themen, die dem typischen Wikipedia-Autor am Herz liegen – hinter dem Mond.
    Blogbeiträge dienen heute längst nicht mehr dem persönlichen Ausdruck eines Bloggers, sondern vor allem einem Zweck: der SEO – und damit ist in einem Blogbeitrag alles erlaubt was gefällt, oder besser gesagt, alles was dem Auftraggeber gefällt.

    Das darf man natürlich nicht zu laut sagen, denn Blogbeiträge sind ein gutes Geschäft für content.de Autoren und man sollte daher nicht zu sehr am authentischen Image des Blogs kratzen.

    In diesem Sinne, Ihr Hubert Lippenblüter

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